Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. M. Bollow Dienstort: Augusta-Kranken-Anstalt Bochum Abt.: Radiologie Peripartale Veränderung des Beckenrings in der MRT Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin (Humanmedizin) einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Lynda Vsianska aus Brüx 2007 Dekan: Prof. Dr. med. G.Muhr Referent: Prof. Dr. med. M. Bollow Korreferent: PD. Dr. med. S. Adams Tag der mündlichen Prüfung: 24.06.2008 1 EINLEITUNG......................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung .................................................................................................... 1 1.2 Terminologie, Häufigkeit und Ursachen der peripartalen Veränderungen........... 4 1.3 Anatomie............................................................................................................... 7 1.4 Peripartale Physiologie und Pathophysiologie ................................................... 14 1.5 Prinzip und Technik der MRT ............................................................................ 17 2 PATIENTEN UND METHODE.......................................................................... 26 2.1 Patientengut ........................................................................................................ 26 2.2 Zuordnung der Patientinnen................................................................................ 26 2.3 Untersuchung ...................................................................................................... 26 2.4 Datenerfassung.................................................................................................... 29 2.5 Auswertung......................................................................................................... 31 3 ERGEBNISSE....................................................................................................... 32 3.1 Demographische Daten....................................................................................... 32 3.2 Geburtenzuordnung ............................................................................................ 34 3.3 Ergebnisse der Bildanalyse................................................................................. 35 4 DISKUSSION........................................................................................................ 48 5 LITERATUR......................................................................................................... 58 DANKSAGUNG LEBENSLAUF 1 1.1 Einleitung Problemstellung Am Ende der Schwangerschaft klagen 50–90% der Frauen über tiefsitzende Rückenschmerzen. Dabei wird zwischen den lumbalen Schmerzen und dem dorsalen Beckenschmerz unterschieden. Der lumbale Schmerz wird häufig durch eine progrediente Lordose verursacht, die mit dem zunehmenden Gewicht des Kindes zum Ende der Schwangerschaft ihren Höhepunkt findet. Der Schmerz im dorsalen Beckenbereich wird der Ligamenten-Nachlässigkeit mit konsekutiver sakroiliakaler Insuffizienz zugeschrieben (Holzbach, E., 1925, Berg et al., 1988, Perkins et al., 1998, Colliton, J., 1999, Norén et al., 2002, Albert, H.B., 2001, Wang et al., 2004). Bereits seit Hippokrates sind die Lockerung der Beckengelenke während der Schwangerschaft und die Symphysenruptur als peripartale Komplikationen bekannt, bei schweren Fällen in Kombination mit Kreuzdarmbeingelenkverletzungen (Kehrer, E., 1915, Chamberlain and Edward, 1930, Kaufmann, G., 1940, Ohlsén, H., 1973, Kissling and Michel, 1977, Siegburg, K., 1996, Snow and Neubert, 1997). Bevor bildgebende Verfahren zum Einsatz kamen, wurde die Diagnose allein mit Hilfe der Anamnese und der klinischen Untersuchung gestellt. Zuerst wird häufig ein Krachen während der Ruptur bemerkt, später leiden die Frauen an Bewegungseinschränkungen mit Außenrotationshaltung der Oberschenkel und Schmerzen bei Bewegung der Beine mit Punctum maximum in der Symphysenregion und in der Region der Sakroiliakalgelenke. Die Wöchnerinnen sind unfähig zu stehen, klagen über Beschwerden beim Gehen mit dem typischen Bild des Watschelganges. In schweren Fällen sind sie für Monate unfähig zu gehen (Krückel, W., 1928, Neuhaus and Holländer, 1950, Pschyrembel, W., 1973, Quiel, V., 1993). Bei der vaginalen Palpation kann meist eine fluktuierende Schwellung, die von dem bestehenden Hämatom herrührt, mit dahinter liegender Delle mit oder ohne Spalt oder ein Klaffen zwischen den Schambeinenden getastet werden. Auch ein Verschieben der Symphysenenden gegeneinander kann bemerkt werden (Kehrer, E., 1915, Kobes and Gölkel, 1949, Kreiker, F., 1956, Jain and Sternberg, 2005). Gelegentlich können die oben beschriebenen Beschwerden im letzen Schwangerschaftsdrittel als suprasymphysäre 1 Schmerzen mit Ausstrahlung in die Oberschenkel- und Kreuzbeinregion beginnen und werden als symptomatische Symphysenlockerung gedeutet (Bahlmann et al., 1993, Seelbach–Göbel, B., 1998, Schoellner et al., 2001). In den meisten in der Literatur beschriebenen Fällen wurde die Aufmerksamkeit lediglich auf das klinisch gut zugängliche Symphysengelenk gerichtet, jedoch sind an den prä- und peripartalen Veränderungen der gesamte Beckenring mit dem Symphysengelenk und den Sakroiliakalgelenken als eine funktionelle Einheit beteiligt. Diese These wurde durch die Beobachtung gestützt, dass es nach traumatischer oder operativer Durchtrennung der Symphyse bei unbeschädigten Sakroiliakalgelenken niemals zu dieser oben beschriebenen Gangstörung (Watschelgang) kommt, und dass größere Dislokationen der Schambeinenden, wie sie für die peripartale Symphysenruptur typisch sind, fehlen (Bäcker, J., 1904, Gigl, J., 1940). Mit zunehmendem technischem Fortschritt bediente man sich zunächst der konventionellen Röntgendiagnostik (Martius, H., 1927 u. 1933, Chamberlain und Edward, 1930) in der Detektion der Symphysenrupturen (Abbildung 1 bis Abbildung 3). Abbildung 1: Geburtstraumatische Symphysensprengung (A), linksseitige Sakroiliakalgelenksprengung (B) und linksseitige Kreuzbeinflügelfraktur (C) (Abbildung 1 bis Abbildung 3: Bildmaterial Prof. Dr. Bollow) 2 Abbildung 2: Geburtstraumatische Symphysensprengung und linksseitige Kreuzbeinflügelfraktur Abbildung 3 a und b: Funktionelle Röntgenuntersuchung der Symphyse in Ruhe und mit Belastung im Einbeinstand bei symptomatischer Patientin drei Monate nach Entbindung: Darstellung einer Verschiebung der Symphysenenden gegeneinander 3 Später fanden die Sonographie (Bahlmann et al., 1993, Schoellner et al., 2001) und die Computertomographie (Garagiola et al., 1989) ebenfalls Eingang in die SymphysenRupturdiagnostik. In den letzten Jahren wurde die Magnetresonanztomographie (MRT), welche als bildgebendes Verfahren ohne den Einsatz ionisierender Strahlung auskommt, zunehmend bei gynäkologischen Fragestellungen eingesetzt. Im Unterschied zur konventionellen Röntgenuntersuchung können mit den Schnittbildverfahren, und insbesondere mit der MRT, nicht nur ossäre Veränderungen, wie die Gelenkspaltweite und ossäre Traumafolgen, sondern auch Veränderungen an den Weichteilstrukturen gut beurteilt werden. Da von einer Diagnosestellung mittels ionisierender Röntgenstrahlen wegen der teratogenen und mutagenen Wirkung möglichst abgesehen wird und mit der Sonographie nur die Symphysenspaltweite dargestellt wird, bietet sich zur Abklärung der peripartalen Beschwerden am Becken eine Untersuchung in der Magnetresonanztomographie (MRT) an. Durch den bildgebenden Nachweis von Veränderungen kann die Patientin über die Ursachen und weitere therapeutische Maßnahmen (wie die Anlage eines Beckengurtes) aufgeklärt werden, womit zur Steigerung der Mobilität und Lebensqualität beigetragen wird. Ziel der Studie Ziel unserer Studie war es, die Zuverlässigkeit eines einfach durchzuführenden, kurzen und die Patientinnen wenig belastenden MRT-Untersuchungsprotokolls in der Detektion von peripartalen Beckenveränderungen in Korrelation zu klinischen Beschwerden und im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe mit der Frage zu überprüfen, ob mit der MRT eine eindeutige Differenzierbarkeit zwischen physiologischer Morphologie und Pathomorphologie möglich wäre. 1.2 Terminologie, Häufigkeit und Ursachen der peripartalen Veränderungen Für peripartale Veränderungen der Symphyse existiert in der Literatur keine einheitliche Nomenklatur. Für das pathologische Geschehen an dem Symphysengelenk werden in der deutschsprachigen Literatur teils parallel unterschiedliche Begriffe wie "Symphysenlockerung", "Symphysenschaden", "Symphysenruptur", "Symphysenläsion", "Symphysendehnung", "Symphysendehiszenz", 4 "Symphysenzerreißung" und "Symphysensprengung" verwendet (Lemberger, F., 1963, Bahlmann et al., 1993, Quiel, V., 1993, Siegburg, K., 1996). Auch in der englischsprachigen Literatur finden sich Begriffe wie "Dehiscence", "Pelvic girdle relaxation", "Symphysiolysis", "Symptomatic symphysis pubis diastasis", "Symphyseal separation", "Symphysis Pubic separation" und "Rupture" (Taylor and Sonson, 1986, Dhar and Anderton, 1992, Snow and Neubert, 1997, Culligan et al., 2002). Im Zeitalter vor der Röntgenbildgebung wurde stets von einer Symphysenruptur gesprochen, da nur bei erheblichen klinischen Symptomen, nach dem Auftreten von Komplikationen wie Fieber oder Immobilität oder im Rahmen einer Obduktion diese Diagnose gestellt wurde(Giercke, H.P., 1958). Da Schmerzen in der Symphysengegend nach einer Entbindung als normal betrachtet wurden, blieben die Rupturen häufig unerkannt. Klinisch wurden die Symphysenveränderungen nach Kehrer (Kehrer, E., 1915) in 3 Grade eingeteilt, welche auch heute noch weitgehende Gültigkeit besitzen: Grad 1. Extreme Auflockerung, Dehnbarkeit und Überdehnung der Symphysenligamente. Grad 2. Partielle Ruptur der Symphysenligamente. Grad 3. Komplette Ruptur der Symphysenligamente. Später wurden mit bildgebenden Verfahren dezente Erweiterungen und Verschiebungen des Symphysenspaltes diagnostiziert und bei mäßiger Erweiterung der Gelenke von einer Lockerung gesprochen; erst bei deutlicher Symphysendehiszenz wurde eine Ruptur diagnostiziert (Kobes and Gölkel, 1949). Quiel schreibt über den Symphysenschaden als eine Läsion der Symphyse, die aus Missverhältnis zwischen Belastbarkeit und Belastung des mütterlichen Beckeringes entsteht. Dabei unterscheidet er zwischen Symphysendehnung mit sonographischem Spalt über 10 mm und Stufenbildung der Schambeinenden über 5 mm und Symphysenruptur, ohne die Begriffe genau zu definieren (Quiel, V., 1993). Bahlmann benutzt, ähnlich wie Quiel den Begriff Symphysendehnung, das Wort Symphysenschaden für Veränderungen der Symphyse mit sonographischem Spalt über 10 mm und Stufenbildung der Schambeinenden über 5 mm. Daneben treten aber auch Bezeichnungen wie Symphysendehiszenz bei einer Weite von 16 mm und Stufenbildung der Symphyse von 6 mm und Symphysenruptur mit einer Spaltweite von 30 mm und Spaltbildung von 10 mm auf (Bahlmann et al., 1993). 5 Die Schwierigkeiten zur Erstellung einer genauen Definition und zur Einteilung der pathologischen Vorgänge am peripartalen Beckenring ergeben sich daraus, dass die klinische Symptomatik nicht immer mit den bildgebenden Daten korreliert (Pschyrembel, W., 1973). Zudem ist nicht bekannt, wie weit der Symphysenspalt bei Schwangeren werden kann, bevor es zu Zerreißung der Bänder kommt, da das muskuloskelettale System des Beckenringes physiologischen peripartalen Veränderungen unterliegt. Es ist fraglich, ob eine Korrelation zwischen Spaltweite und Zerreißung der Ligamente besteht (Siegburg, K., 1996). Die uneinheitliche Nomenklatur hat auch auf die unterschiedlichen statistischen Angaben über die Häufigkeit der peripartalen Symphysenverletzungen Einfluss. Nach einer Literaturrecherche liegen aus dem Zeitraum von 1923 bis 1983 die Häufigkeiten geburtsbedingter Symphysenschäden zwischen 0,005% und 0,41% (Glinski von, C., 1995). In der neueren Literatur wird die Symphysenruptur sehr variabel mit Inzidenzen zwischen 1:300 und 1:30000 angegeben (Snow and Neubert, 1997). Noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts wurden die peripartalen Symphysenrupturen als ein überaus seltenes Ereignis beschrieben. Im Jahr 1915 erschien in der Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie ein Artikel, der sich mit der Symphysenruptur als Schwangerschafts- und Geburtskomplikation beschäftigte. In diesem wurden die bis dahin in der Literatur beschriebenen 100 Fälle zusammengefügt. 83% der beobachteten Symphysenrupturen wurden bei operativ beendeten Geburten in Kombination von großen Kindern mit engen Becken beobachtet (Kehrer, E., 1915). Bis zum Jahre 1937 wurden weitere 106 Fälle dazugefügt (Esch, U., 1938). Dabei ist ein Unterschied der Häufigkeit der Symphysenläsionen unter Spontangeburten und nach operativen Entbindungen aufgefallen. Der Anteil der Symphysenläsionen unter Spontangeburten wurde bis 1915 mit 17% angegeben (Kehrer, E., 1915). Bezogen auf die Gesamtzahl der beobachteten Symphysenläsionen, hat er sich bis 1937 auf 65% gesteigert (Esch, U., 1938). Dabei hat der Anteil der postoperativen Symphysenläsionen von 83% auf 35% abgenommen (Kehrer, E., 1915, Esch, U., 1938). In der Arbeit von Neuhaus und Holländer wurde die Tendenz der relativen Zunahme des Auftretens der Symphysenschädigungen bei Spontangeburten und relativer Abnahme der Symphysenläsionen bei operativ beendeten Geburten bestätigt (Neuhaus and Holländer, 1950). Diese relative Zunahme von Rupturen bei Spontangeburten wurde nicht nur durch Änderungen der Geburtshilfsmittel, wie dem selteneren Einsetzen der sog. 6 „hohen Zange“, sondern auch durch die seit Entdeckung der Röntgenstrahlen zur Diagnosesicherung höheren Detektionsraten von Rupturen zugeschrieben (Neuhaus and Holländer, 1950). Nach Kobes und Gölkel entstanden rund die Hälfte aller Fälle von Symphysenrupturen spontan ohne erkennbare Ursache. Dazu gehörten insbesondere die Fälle in der Schwangerschaft und im Wochenbett (Kobes and Gölkel, 1949). Bei weiterhin ungeklärter Ätiologie wurden in neuerer Zeit als weitere Rupturursachen Sturzgeburten, instrumentale vaginale Entbindungen und intensive uterine Kontraktionen diskutiert. In ca. 90% wurden die Symphysenschäden Funktionsstörungen zugeschrieben, deren Ursachen in verschiedenen Faktoren wie pathologisch gesteigerte Auflockerungen der Symphyse und der Sakroiliakalgelenke, Zusatzbelastungen wie Zwillinge, fetale Makrosomien, kephalopelvine Disproportionen oder in besonderen Dispositionen zu suchen sind (Offergeld, H., 1932, Lemberger, F., 1963, Pschyrembel, W., 1973, Reusch and Bolte,1986, Kurzel et al., 1996, Snow and Neubert, 1997). Diese These unterstützte die Aussage, dass die Gelenkbänder eine Dehnung bis 7 cm ohne Rissbildungen aushalten und erst bei Überdehnungen zu einem Nachgeben der Symphysenverbindungen führen würden (Offergeld, H., 1932). 1.3 Anatomie Um die physiologischen, aber auch die pathologischen Vorgänge während einer Schwangerschaft und Geburt verstehen zu können, muss man sich zuerst die anatomischen Gegebenheiten vor Augen führen. Der Beckengürtel (Cingulum membri inferioris) besteht aus dem Kreuzbein (Os sacrum) und den beiden Hüftbeinen (Ossa coxae). Die beiden bogenförmigen Hüftbeine, die mit dem hinten liegenden Kreuzbein durch die Articulationes sacroiliacae straff verbunden sind, vereinigen sich vorn in der Symphysis pubica. So entsteht ein Ring, der die Last des Rumpfes auf die Beine überträgt. Durch die Zusammenfügung des Beckens aus drei Teilen, die in straffen Gelenken zusammenstoßen, besteht bei ausreichender Stabilität eine gewisse Nachgiebigkeit. (Drenckhahn and Eckstein, 2003). Das Os coxae besteht bilateral aus je drei Knochenabschnitten, dem Os ilium, Os ischium und Os pubis. Sie sind bis zum Ende der Pubertät durch Knorpelfugen verbunden (Abbildung 4). 7 Abbildung 4: Os coxae eines 13-jährigen Knaben: Os ilium, Os ischium und Os pubis sind noch getrennt (Bildmaterial von Prof. Dr. Bollow) Abbildung 5: Anatomisches transversales Schnittpräparat der Symphysis pubica (Bildmaterial von Prof. Dr. Bollow) 8 Abbildung 6: Anatomie des Symphysengelenkes einer 41-jährigen Frau (Multipara) 1 2 Abbildung 7: Histologisches Übersichtspräparat des Symphysengelenkes (aus Abb. 6) Abbildung 8: Zwei Ausschnittsvergrößerungen (1 und 2 aus Abb. 7): Synovialmembran des Symphysengelenkes (Abb. 6 bis 8 aus Dihlmann, W., 1978) 9 Das Schambein (Os pubis) (Abbildung 5 und Abbildung 6) wird durch das Corpus und den davon ausgehenden Ramus superior und Ramus inferior gebildet. Das Corpus besitzt medial die längsovale Facies symphysealis, die durch ein Gelenk mit der Gegenseite verbunden ist (Drenckhahn and Eckstein, 2003). Bis in das vorletzte Jahrhundert war man sich bei der Symphysenzuordnung nicht sicher. Sie hätte genauso gut als Gelenk (= Diarthrose) oder als Knorpel - Band - Fuge (= Synchondrose) gelten können (Kernbach-Wighton, G., 1999). Die Ausbildung echter Symphysengelenke mit synovialer Auskleidung und typischen Synovialzotten wurde früher den geburtstraumatischen und teils mechanisch-statischen Vorgängen während der Geburt zugeschrieben (Haslhofer, L., 1930, Martius, H., 1933). Auch heute noch ist die Meinung verbreitet, dass die vordere Verbindung der beiden Hüftbeine durch eine Synchondrose oder Hemiarthrose gebildet wird (Siegburg, K., 1996, Schoellner et al., 2001, Drenckhahn and Eckstein, 2003). Gemäß neuer Untersuchungen der Symphyse von der Geburt bis zum hohen Lebensalter ist diese einer Diarthrose mit vorderer und hinterer Kapsel, Gelenkspalt und Gelenkknorpel zuzuordnen (Kernbach-Wighton, G., 1999). Die Schambeine sind durch Bänder miteinander verbunden. Kranial wird häufig das Ligamentum pubicum superius beschrieben, das mit dem Symphysenknorpel verwachsen ist und zwischen den oberen Schambeinrändern verläuft. Das Ligamentum arcuatum pubis (Ligamentum pubicum inferius) überbrückt bogenförmig die unteren Schambeinäste. Die ventrale Gelenkkapsel, auch als Ligamentum pubicum anterius bezeichnet, ist ein kräftiges horizontal verlaufendes kollagenreiches Band, das mit Gefäßnervenbündeln durchzogen ist. Die dorsale Kapsel wird von dem netzartigen schwächeren Ligamentum pubicum posterius gebildet. Der Gelenkknorpel wird von hyalinem Knorpel mit einzelnen Knorpelzellen gebildet, von frontal zur Symphysenmitte hin besteht eine Zone von kollagenreichem Faserknorpel, in dem sich häufig Spalträume befinden. Der Faserknorpelanteil wird häufig als Diskus interpubicus bezeichnet, da er teilweise von Spaltbildungen umschlossen wird und als ein Diskus in der Gelenkhöhle liegt. Insbesondere über den Zeitpunkt der Entstehung dieser Spalten gibt es unterschiedliche Meinungen in der Literatur. Es wurden zwei unterschiedliche Arten von Spalten beschrieben, die primären als Folgen von histologischen Differenzierungsvorgängen, welche im Kindesalter anzutreffen sind, und die sekundären, die als Rissbildungen im Gewebe häufig durch traumatische und degenerative Veränderungen entstehen (Kamieth and Reinhardt, 1955). In den mittleren Partien, die histologisch bereits mit vier Monaten Spalten aufweisen, finden sich 10 mukoide Degenerationen. Makroskopisch können diese Spalten mit dreieinhalb Jahren in den dorsalen Partien auftreten und als ein Gelenkspalt in einem straffen Gelenk fungieren. In der ventralen Partie findet sich auch im zehnten Lebensjahr kein Gelenkspalt. Die Spalträume sind häufig von endothelähnlichen Zellen (Abbildung 7 und Abbildung 8) ausgekleidet (Loeschke, H., 1912, Kernbach-Wighton, G., 1999). Die geburtstraumatischen Einrisse unterscheiden sich von denen bei Nullipara und Männern, da sie unregelmäßig ausgebildet sind, auch quer zum ursprünglichen Symphysenspalt verlaufen können und sich nicht an die anatomischen Grenzen halten (Loeschke, H., 1912). Sie sind nach der Entbindung häufig mit blutig-seröser Flüssigkeit gefüllt (Martius, H., 1933). Abbildung 9: Histologisches Schema des Paraxialschnittes (siehe Abbildung 10) durch das Sakroiliakalgelenk (Bildmaterial von Prof. Dr. Bollow) A. Sakraler Knorpel B. Iliakaler Knorpel C. Gelenkhöhle D. Ligamenta interossea E. Gelenkkapsel 11 Abbildung 10: Sakroiliakalgelenk: Anatomisches Schnittpräparat in Kombination mit einer T1-gewichteten Abbildung der MRT in paraxialer Schnittführung auf gleichem Niveau (Bildmaterial von Prof. Dr. Bollow) Auch die Sakroiliakalgelenke (Abbildung 9 und Abbildung 10) sind echte Gelenke, also Diarthrosen. Aufgrund der geringfügigen Bewegungsmöglichkeit werden sie als straffe Gelenke (= Amphiarthrosen) bezeichnet. Die Gelenkspaltweite beträgt bei normalem Gelenk ca. 4 mm (Esch, U., 1938, Dihlmann, W., 1978). Die ohrenförmigen Gelenkflächen (Facies auriculares) verlaufen bogig, sakral ist der Gelenkknorpel dreifünfmal dicker als iliakal. Auf der sakralen Seite artikulieren die Wirbelkörper S1 bis S3, der Wirbelkörper S2 ist immer einbezogen. Dagegen sind die Wirbelkörper L4, L5 und S4 sehr selten in das Gelenk einbezogen (Bellamy et al., 1983). Die Rumpflast wird über das Sakroiliakalgelenk auf das Becken und die unteren Extremitäten übertragen. Damit das Sakrum durch die Rumpfbelastung nicht zwischen den beiden Iliumschaufeln nach kaudal rutschen kann, sind einerseits die doppelte Keilform des Sakrums und andererseits ein mächtiger dorsaler Bandapparat notwendig (Kissling and Michel, 1977). Den Gelenkspalt überbrücken auf der Vorderseite flächenhafte Bandzüge der Ligamenta sacroiliaca anteriora (Abbildung 11). Der kräftige dorsale Aufhängeapparat des Kreuzbeins wird durch die Ligamenta sacroiliaca posteriora et interossea (Abbildung 11) gebildet und gilt als die kräftigste Bandstruktur des menschlichen Körpers. Sie füllen die tiefe Bucht zwischen der Tuberositas iliaca und dem Kreuzbein 12 aus und verhindern ein Abgleiten des Kreuzbeins in die Beckenhöhle (Freyschmidt, J., 2005). Abbildung 11: Bandapparat von ventral, dorsal und von der Seite schematisiert (Kissling and Michel, 1977) Das Ligamentum iliolumbale (Abbildung 11) wird aus einem lateralen und einem ventrokaudalen Trakt gebildet. Es verhindert das Auseinanderweichen der Beckenschaufeln und schränkt seitliche Kippbewegungen des 5. Lendenwirbels gegen 13 das Kreuzdarmbein ein. Das Ligamentum sacrotuberale (Abbildung 11) ist ein starkes, an beiden Enden aufgefächertes Band, welches vom dorsolateralen Rand des Kreuzbeins und einem Teil des Steißbeins zum Tuber ischiadicum verläuft. Das Ligamentum sacrospinale (Abbildung 11) zieht von der ventrolateralen Kreuzbeinfläche zur Spina ischiadica. Die zwei letztgenannten Ligamente verhindern dorsale Kippbewegungen der Kreuzbeinspitze um die transversale Achse (Drenckhahn and Eckstein, 2003). 1.4 Peripartale Physiologie und Pathophysiologie Bei am Becken durchgeführten Versuchen ist festgestellt worden, dass die Beckengelenke enorme Festigkeit besitzen, so dass eher die Knochen brechen, als dass die bindegewebigen Verbindungen dislozieren (Offergeld, H., 1932). Um eine normale Symphyse zu sprengen, ist ein Kraftaufwand von 180-200 kg notwendig (Bäcker, J., 1904, Naujoks, H., 1927). Verletzungen und Kontusionen am Beckenbindegewebe werden am häufigsten bei der Geburt beobachtet (Offergeld, H., 1932). Ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit wird als Ursache für diese Läsionen postuliert. Durch die bei der Schwangeren ablaufenden biomechanischen und physiologischen Vorbereitungen zur Geburt erhält das Becken durch die gewonnene Beweglichkeit seine Geburtskonfiguration: Während der Schwangerschaft wird das Beckenbindegewebe durch das innersekretorische Drüsensystem und seine hormonellen Einflüsse vorbereitet. Durch reversible fibröse und synoviale Auflockerungen und Hypertrophien erhält der Beckenring eine erhöhte Plastizität (Dihlmann, W., 1978). Ein hormoneller Einfluss auf die Gelenklockerung wird dem Relaxin zugeschrieben. Relaxin ist ein aus 56 Aminosäuren bestehendes Polypeptidhormon mit einem Molekülgewicht von 6 kDa, welches von dem Corpus luteum, Trophoblastgewebe und der Decidua produziert wird (Breckwoldt and Keck, 2002). Die Relaxin-Rezeptoren LGR (leucine-rich repeat-containing G protein-coupled receptor) 7 und LGR 8 sind in den Geweben unterschiedlich verteilt (Hashem et al., 2006). Die höchsten Werte des Relaxinspiegels im Blut finden sich gegen Ende des ersten Trimesters, dann sinken sie und bleiben bis zum Ende der Schwangerschaft auf gleichem Niveau. Drei Monate nach der Geburt ist Relaxin im Blut nicht mehr nachweisbar (Kristiansson et al., 1996, Hashem et al., 2006). Es wurden verschiedene Wirkungen des Relaxins beschrieben: 14 • Relaxin bewirkt eine Auflockerung des pelvinen Bindegewebes, wirkt auf den Kollagenmetabolismus, moduliert Fibroblasten. Unter Relaxin wird die lokale Konzentration von proteolytischen Enzymen erhöht, die zum Abbau des Knorpels und des angrenzenden Knochens beitragen. Es führt zur Aufspaltung der Kollagenbündel, Abbau der Glykoproteine und zur Zunahme des Wassergehaltes der Grundsubstanz. Bei Frauen mit Beckeninstabilität wurden höhere Relaxinmengen im Serum gemessen als bei schwangeren Frauen ohne Beschwerden (Jockenhövel, F., 1989, Kristiansson et al., 1996, Samuel et al., 1996, Colliton, J., 1999). • Relaxin bewirkt eine Dilatation der Cervix. • Relaxin inhibiert synergistisch mit Progesteron die myometrale Kontraktilität (Mushayandebvu and Rajabi, 1995) und die deziduale Sekretion von Uteroglobin und Prolaktin (Breckwoldt et al., 2002). Im Verlauf der Schwangerschaft lässt sich eine um 3-5 mm zunehmende Breite des Symphysenspaltes radiologisch nachweisen. Während der Geburt wird durch die Rotationsbewegung in den Sakroiliakalgelenken die Lage der Symphyse mit resultierender Größenveränderung des sagittalen Durchmessers beeinflusst. Beim Pressvorgang kontrahiert sich die Rektusmuskulatur, wodurch sich die Symphyse in kranialer Richtung verschiebt. Es folgt eine Beckenausgangvergrößerung um ca. 20% (Ohlsén, H., 1973). Post partum unterliegen die beschriebenen Veränderungen der typischen puerperalen Involution und werden innerhalb von fünf Monaten vollständig rückgebildet (Martius, H., 1933, Schneider et al., 2004). Die Symphyse untersteht durch die physiologische Beanspruchung einem lebenslangen Umbau und verändert dadurch ihre Form. Es kommt zur Abflachung der Gelenkflächen nach ventral und dorsal, mit zunehmendem Alter auch zu einer zunehmenden subchondralen Sklerosierung. An der Hinterkante der Schambeine finden sich zunehmende Wulstbildungen, die als Eminentiae retropubicae bezeichnet werden, welche wahrscheinlich durch Zerrungen der Bandansätze am Knochen und konsekutive Periostreaktionen entstehen. Mit der Zahl und Schwere der Geburten nehmen diese Veränderungen an Ausmaß zu (Kamieth and Reinhardt, 1983). Bei Messungen der Symphysenweite in Röntgenbildern wurde eine mit dem Alter zunehmende Verschmälerung beschrieben. Beim Kleinkind bis zu drei Jahren betrug die Weite 10 mm, mit 20 Jahren 6 mm und im höheren Alter 2 mm (Krauss, F., 1930). Die Symphyse zeigt im normalen Zustand eine geringe Beweglichkeit mit einer Rotation bis 3° sowie 15 einer Translation bis 2 mm (Walheim and Selvik, 1984). Von den unterschiedlichen bekannten Symphysenspaltformen (Abbildung 12) disponieren solche mit Kantenbildungen zu einem frühzeitigen degenerativen Verschleiß des Symphysengewebes (Kamieth and Reinhardt, 1955). Abbildung 12: Schematische Darstellung der variablen Formgestaltung des Symphysenspaltes (Kamieth and Reinhardt, 1955) Die degenerativen Veränderungen der Beckengelenke wurden bei Frauen im höheren Lebensalter als Spätschädigung nach der Geburt gedeutet (Martius, H., 1933). Durch Geburtstraumata kann es infolge von Verletzungen von Bändern und Kapseln zu Hämatomen mit konsekutiven reaktiven produktiven Entzündungen kommen, welche in eine Arthrosis deformans einmünden können (Fochem, K., 1955). Die mechanischfunktionellen Auswirkungen sind insbesondere an der Knochen-Knorpelgrenze anzutreffen, da hier Gewebe verschiedenartiger Festigkeit und Elastizität aneinander treffen. An der Symphyse finden sich typische Randwulstbildungen, Deformierungen der Gelenkenden, Trümmer- und Geröllzysten, Fasermarkentwicklungen im subchondralen Knochen und „Mosaikstrukturen“ als Ausdruck rasch aufeinander folgender An- und Abbauvorgänge am Knochen (Haslhofer, L., 1930). Bereits im sechsten Schwangerschaftsmonat findet sich an den Sakroiliakalgelenken eine Lockerung und Weitstellung, die durch eine türflügelartige Drehung um die hintere, obere Kante der Gelenkfläche des Kreuzbeins erfolgt und eine stärkere Beanspruchung der Ligamenta sacroiliaca anteriora zur Folge hat. Im Verlauf der Geburt, während der die Bänder rasch und maximal beansprucht werden, treten Zerreißungen und Blutungen im Gelenkspalt auf. Den Spätfolgen an der Symphyse vergleichbar finden sich schädigende Einwirkungen am Gelenkknorpel: Auffaserungen, sog. "Weichselbaum´sche Lückenbildungen" und Zerklüftungen bis zum fast vollständigen 16 Schwund des Gelenkknorpels. Die durch den fehlenden Knorpel ungeschützten Knochenareale zeigen Zeichen einer reaktiven produktiven Entzündung mit typischem Vordringen von Gefäßen aus den Markräumen in den Knorpel. Nach längerer Zeit können sich daher an der Beckenseite der Gelenke Randwülste ausbilden (Haslhofer, L., 1930). 1.5 Prinzip und Technik der MRT Im Jahre 1946 entdeckten Felix Bloch und Edward Mills Purchell zeitgleich die kernmagnetische Resonanz. Erst nach dreißig Jahren folgten die ersten Einsätze in der Bildgebung durch Paul Lauterbur, Peter Mansfield und Raymond Damadian (Damadian, R., 1981). Das Prinzip der MRT gründet auf dem inneren magnetischen Moment, dem sogenannten Spin der Atomkerne mit ungerader Zahl von Protonen und Neutronen. Zur Bildgebung wird vorwiegend der Wasserstoffkern benutzt, da dieser reichlich im menschlichen Körper vorhanden ist. In biologischem Gewebe haben diese Magnetfelder normalerweise beliebige, zufällig verteilte Richtungen. Innerhalb eines von außen angelegten magnetischen Feldes ordnen sich diese Spins parallel und antiparallel der Magnetfeldlinien an. Die dadurch entstandene Magnetisierung wird jedoch erst messbar, wenn sie aus dem Gleichgewicht gebracht wird und in einer Kreiselbewegung (Präzession) in dieses Gleichgewicht zurückkehrt. Dieser Prozess wird durch die Einstrahlung einer gepulsten Radiohochfrequenz (Inversionspuls) bewirkt. Die Präzession hat eine Frequenz proportional zur Stärke des Magnetfeldes B0, die sogenannte Larmorfrequenz ω0 = γ x B0 (γ = gyromagnetisches Verhältnis, d.h. eine Konstante, die für jedes Element einen typischen Wert besitzt). Die Frequenz des Hochfrequenzpulses muss gleich der Larmorfrequenz sein, da sonst kein messbarer Effekt erzielt wird. Die Einstrahlung der Radiohochfrequenz bewirkt, dass die Atomkerne Energie absorbieren. Nach dem Ausschalten des Hochfrequenzimpulses wird die beim Übergang von einem höheren zu einem niedrigeren Energiezustand abgegebene Energie von Hochfrequenzantennen registriert und als elektrisches Signal aufgezeichnet. Daraus ergeben sich die Daten für die Erstellung digitaler Bilder mittels Fourier-Transformation (Becker, E. D., 1980, Damadian, R., 1981, Gadian, D. G., 1982). Die Kontraste zwischen den Geweben werden von der zeitlichen Abfolge der Pulssequenz beeinflusst. Der Bildkontrast und die Helligkeit eines Gewebes im MRT - 17 Bild werden von drei Parametern bestimmt: • Protonendichte • T1-Relaxationszeit, longitudinale Relaxation • T2-Relaxationszeit, transversale Relaxation Alle drei Parameter sind spezifische Merkmale, anhand derer sich verschiedene Gewebe unterscheiden lassen (Köchli and Marincek, 1998). In der Bildgebung kommen unterschiedliche Sequenzen zum Einsatz, die die Relaxationszeiten, bzw. die Protonendichte je nach Fragestellung betonen. Bei der Abbildung des Stütz- und Bewegungsapparates werden klassische Spin-EchoSequenzen eingesetzt. Sie gehören zu den elementaren für die Bildgebung verwendeten Pulssequenzen. Der Vorteil liegt in der Unempfindlichkeit gegenüber statischen Magnetfeldinhomogenitäten, woraus scharfe, artefaktfreie Bilder resultieren. Der Nachteil liegt in relativ langen Messzeiten. Eine Spin-Echo-Sequenz beginnt mit einem schichtselektiven 90°-Impuls. Nachdem die Hälfte der gewünschten Echozeit verstrichen ist, wird ein 180°-Impuls (= Refokussierungspuls) gesendet. Zwischen beiden Impulsen wird mit Hilfe von Gradientenspulen die Phasenkodierung durchgeführt. Bei der Spin-Echo-Technik mit T1-Kontrast betragen die Repetitionszeit (TR) <700 ms und die Echozeit (TE) <20 ms. Die Turbo-Spin-Echo (TSE)-Sequenz ähnelt der Spin-Echo-Sequenz, da während des Repetitionszeitintervalls nach dem 90°Anregungsimpuls statt eines Spin-Echos mehrere Echos mit konstanter Distanz durch 180°-Impulse erzeugt werden. Die Anzahl der 180°-Impulse wird auch als Turbofaktor bezeichnet. Im Vergleich zur konventionellen Spin-Echo-Sequenz wird die Zeit um einen Faktor reduziert, die der Anzahl der 180°-Impulse pro Anregung entspricht. Der Bildkontrast wird durch die Echos bestimmt. Die große Zeitersparnis kann zur Steigerung der Auflösung und des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses genutzt werden. Im T1-Kontrast stellen sich Fett und paramagnetische Substanzen signalreich dar. Muskeln, kortikaler Knochen, Verkalkungen und die meisten pathologischen Veränderungen sind signalarm. Zur Darstellung des Bewegungsapparates hat sich heutzutage als Routinesequenz eine STIR (Short-Tau- Inversion-Recovery)-Sequenz, eine fettunterdrückte InversionRecovery-Sequenz, bewährt. Die Sequenz beginnt mit einem 180°-Inversionsimpuls, nach kurzer Inversionszeit von einem 90°Anregungsimpuls und 180°-Impulsen gefolgt. Der Bildkontrast wird durch die Wahl der Inversionszeit (Tau genannt) bestimmt. Die 18 Fettprotonen tragen zum Signal nicht bei, da ihre Längsmagnetisierung zerfallen ist. Bei kurzer Inversionszeit wird ein Bildkontrast mit hoher Empfindlichkeit gegenüber langen T1- und T2- Relaxationszeiten erzeugt, welches mit hoher Sensitivität gegenüber Ödemen und anderen pathologischen Veränderungen einhergeht. Die Vorteile der MRT des Bewegungsapparates resultieren aus dem gegenüber allen anderen bildgebenden Verfahren deutlich überlegenen Weichteilkontrast sowie aus der direkten Gelenkknorpel- und Knochenmarkdarstellung. Ein Vorteil der MRT gegenüber der Computertomographie ist die Möglichkeit der multiplanaren Schichtführung. Bei rein transversalen oder koronalen Schichtführungen (Abbildung 13 und Abbildung 14) wären z.B. vom Beckenring bzw. der Symphysis pubica jeweils nur Teilaspekte in einer Sequenz untersuchbar. Es wurde deshalb in unseren Studien eine schräg koronale Schichtführung parallel zur Beckeneingansebene bzw. zur Conjugata vera (Abbildung 15) gewählt, womit neben der Symphysis pubica der gesamte Beckenring einschließlich der Sakroiliakalgelenke erfassbar ist. Abbildung 13: Transversale Schichtführung mit Darstellung einer degenerativ veränderten Symphysis pubica einer 40-jährigen Multipara 19 Abbildung 14: Koronale Schichtführung mit Darstellung einer degenerativ veränderten Symphysis pubica einer 40-jährigen Multipara Abbildung 15: Eine schräg koronale Schichtführung (STIR-Sequenz) parallel zur Conjugata vera erfasst alle Beckenverbindungen des gesamten Beckenringes bei einer symptomlose Frau nach Entbindung Die wichtigsten anatomischen Strukturen des Bewegungsapparates, nämlich Kortikalis, Bänder, Sehnen, Bandscheiben, Menisken, Gelenk- , Epiphysen- und Apophysenknorpel, Knochenmark, Muskulatur, Fettgewebe und Gefäße sind mit allen Pulssequenzen differenzierbar: Kortikaler Knochen imponiert ebenso wie straffes Bindegewebe (Gelenkkapsel, Faszie, Aponeurose, Ligament, Sehnenscheide, Discus 20 articularis am Kiefergelenk) und Faserknorpel (Anulus fibrosus des Discus intervertebralis, Meniskus, Labrum glenoidale, Labrum acetabulare, Discus articularis an Sternoclavicular- und Handgelenk) mangels mobiler Protonen in allen Sequenzen signalarm. Daher werden diese Gewebe durch die jeweils umgebenden signalreicheren Gewebe wie Knochenmark, Fett, Knorpel, Gelenkflüssigkeit etc. indirekt abgebildet. Hyaliner Knorpel weist mit einem prozentualen Wasseranteil zwischen 61 bis 79% gegenüber dem wasserarmen Faserknorpel eine höhere Protonendichte auf und stellt sich deshalb in allen Sequenzen signalreicher dar. Mit Hilfe T2*- bzw. T2-gewichteter Sequenzen bei gleichzeitiger Fettunterdrückung gelingt eine gegenüber dem umgebenden Knochenmark und der Kortikalis kontrastreiche Darstellung von hyalinem Knorpel. Aufgrund der in T2-Wichtung ebenfalls signalreichen Darstellung von Flüssigkeiten kann eine Differenzierung zwischen Gelenkknorpel und umgebender Gelenkflüssigkeit bei Vorliegen eines Gelenkergusses erschwert sein. Dreidimensionale Datensätze mit anschließender multiplanarer Reformation (MPR) bei Anwendung von Spoiled-Gradientenecho (GRE)-Sequenzen mit kurzer Repetitionszeit (30 bis 50 ms), kurzer Echozeit (5 bis 10 ms) und Flipwinkeln von 30 bis 60 Grad haben sich in Kombination mit einer Fettunterdrückung speziell in der Gelenkdiagnostik durch ihre signalreiche Gelenkknorpeldarstellung bei gleichzeitiger signalarmer Gelenkergussdarstellung bewährt. Sowohl der Knorpel normaler Gelenke, welcher gefäßfrei ist und über Diffusion versorgt wird, als auch der Gelenkbinnenraum weisen unmittelbar nach intravenöser Applikation paramagnetischer gadoliniumhaltiger Kontrastmittel keine Kontrastierung auf. Gadoliniumhaltige MRT-Kontrastmittel können nach intravenöser Verabreichung in einer Konzentration in den Gelenkspalt gelangen, die auf T1-gewichteten Aufnahmen deutliche Signalanhebungen und damit einen sogenannten ”indirekten arthrographischen Effekt” erzeugen können. Während dieser Kontrastmittelübertritt in das Gelenk in Ruhe erst langsam zunimmt und erst nach etwa einer Stunde ein Maximum erreicht, kann der Übertritt durch Gelenkbewegungen erheblich forciert werden. Die Bildeigenschaften des Knochenmarks sind von der Verteilung zwischen rotem, hämatopoetisch aktiven Mark und gelbem Fettmark und der Anzahl der Spongiosatrabekel einerseits sowie von Patientenalter, Geschlecht und der zu untersuchenden Region andererseits abhängig. T1-gewichtete Spinecho (SE)-Sequenzen haben sich bei der Untersuchung des Knochenmarks bewährt und zeigen einen hohen Kontrast von signalreichem Fettmark (z.B. an den physiologischen Fettmarkarealen 21 Trachanter major, Tuberculum majus) zu signalärmerem roten Knochenmark sowie zu pathologischen Knochenmarkveränderungen (z.B. Osteitiden, Osteomyelitiden, Bone Bruise=Spongiosafrakturen, Leukämien, Lymphomen, Knochentumoren, Metastasen, Morbus Gaucher etc.). Der Vorteil dieser Sequenz liegt in ihrer Unempfindlichkeit gegenüber statischen Magnetfeldinhomogenitäten und der daraus resultierenden sehr guten Bildqualität (Abbildung 16). Während durch den Einsatz T2-gewichteter SE-Sequenzen keine diagnostischen Zugewinne zu erwarten sind, haben sich Short-Tau-Inversion-Recovery-Sequenzen (STIR) und gegenphasierte GRE-Sequenzen als nutzbringend in der Knochenmarkbildgebung erwiesen: Die unterschiedliche Phasenlage von Protonen in Fett und Wasser basiert auf der unterschiedlichen Resonanzfrequenz dieser Komponenten, wobei die Phasenlage von der Echozeit abhängig ist. Die Differenz der Resonanzfrequenzen von Fett und Wasser beträgt 3,2 bis 3,5 parts per million (ppm). Die differenten Phasenlagen von Fett und Wasser bei Anwendung von GRE-Sequenzen bei verschiedenen Echozeiten lassen sich am besten durch das Vektormodell verdeutlichen: Liegen wie im Knochenmark in einem Pixel zusammen Anteile von Fett und Wasser, so addieren sich die in gleiche Richtung zeigenden magnetischen Vektoren von Fett und Wasser in der In-Phase und subtrahieren sich die in gegensinnige Richtungen zeigenden Vektoren von Fett und Wasser voneinander bei gegenphasierter Phasenlage (Out-Phase). Bei einem Mischungsverhältnis von 1:1 und gegenphasierter Echozeit kommt es zu einer Signalauslöschung. Dieses Phänomen kann zum Nachweis hämatopoetisch wirksamen Knochenmarks und bei Gabe von Kontrastmittel zum Nachweis pathologischer Veränderungen des Knochenmarks genutzt werden. Aus der Signalarmut des Knochenmarkes resultiert bei dieser Technik auch eine kontrastreiche Abbildung von Gelenk- und Apophysenknorpeln. Gesunde Skelettmuskeln zeigen in Übereinstimmung mit den morphologischen Befunden in der Computertomographie einen kompakten Muskelverband, glatte Muskelkonturen sowie eine bilaterale Symmetrie. Aufgrund ihrer langen T1Relaxationszeit und relativ kurzen T2-Relaxationszeit zeigt die Muskulatur in SESequenzen eine relativ geringe Signalintensität und damit einen hohen Kontrast zum Fettgewebe, welches durch eine kurze T1- und intermediäre T2-Relaxationszeit hohe Signalintensitäten aufweist. Der Querschnitt gesunder Muskeln wird durch signalloses ortsständiges straffes Bindegewebe in Form von Sehnen und Faszien strukturiert. Signalintensives Fettgewebe innerhalb des Muskelverbandes ist vor allem im Niveau 22 von Gefäß-Nerven-Strängen und zwischen benachbarten Muskeln in Form heller Streifen anzutreffen. Neuromuskuläre Erkrankungen, Traumafolgen und Tumoren an Muskeln sowie Myositiden sind durch Anwendung kontrastmittel-gestützter T1gewichteter Sequenzen und einer Inversion-Recovery-Sequenz mit kurzer Inversionszeit – der Short-Tau-Inversion-Recovery (STIR)-Sequenz sehr sensitiv zu erfassen (Reimer et al., 2003). Bei der STIR-Sequenz wird durch Wahl einer kurzen Inversionszeit TI ein Bild erstellt, in welchem die Netto-Longitudinal-Magnetisierung von Fett ein Minimum aufweist (d.h. dass ein 180º-Inversionspuls im Zeitabstand des Nulldurchgangs der Längsmagnetisierung von Fettprotonen geschaltet wird), so dass das Signal von Fett unterdrückt wird und normales Fettmark dunkel imponiert. Abbildung 16: T1-gewichtete TSE-Sequenz. Symphysenruptur am Entbindungstag 23 Abbildung 17: STIR-Sequenz in gleichem Schichtniveau. Symphysenruptur am Entbindungstag. Signalreiches Hämatom im und um den Symphysenspalt sowie signalreiche Kontusionsherde in den symphysennahen juxtakortikalen Schambeinästen Der T1- und T2-Kontrast der anderen Gewebe verhält sich hingegen additiv, so dass Areale mit hoher Konzentration an freiem Wasser wie Entzündungen, Ödeme oder Tumorgewebe hohe Signalintensitäten aufweisen. Diese Untersuchung kann als sogenannte sensitive Suchsequenz für pathologische Veränderungen bzw. zur Suche von „pathologischem Wasser“ eingesetzt werden. (Bollow, M., 2001) (Abbildung 17). Zur Sicherheit der Patienten müssen bei der MRT Kontraindikationen beachtet werden. Absolute Kontraindikationen sind: - Herzschrittmacher, Defibrillator - künstliche Herzklappe Typ Starr-Edwards - metallische Fremdkörper, insbesondere im Auge - Metall- / Granatsplitter - ältere, ferromagnetische Gefäßclips an Herz- und Hirngefäßen - Neurostimulatoren, Insulinpumpen, Ohrimplantate 24 Relative Kontraindikationen: - Klaustrophobie - Adipositas permagna Erschwerte Untersuchungsbedingungen: - Unruhe und damit Bewegungsartefakte - Pollakisurie Metallimplantate wie Hüftgelenksprothesen sind in der Regel nicht ferromagnetisch und stellen somit bis auf lokale Artefakte kein Problem dar. Metallische Objekte, z.B. ferromagnetische Operationsclips, bewirken einen örtlichen Signalverlust mit Bildaufbaustörung. Metallgegenstände schaffen artifizielle Löcher im Bild. 25 2 2.1 Patienten und Methode Patientengut Es wurden insgesamt 77 weibliche Personen untersucht. Diese wurden unterschiedlichen Gruppen zugeordnet: - Gruppe A: freiwillige, gesunde, nullipare Probandinnen (n=21) - Gruppe B: postpartale Probandinnen, beschwerdefrei (n=21) - Gruppe C: postpartale Patientinnen mit Beschwerden im Beckengürtel (n=35) 2.2 Zuordnung der Patientinnen Die Schmerzintensität wurde anhand der visualisierten analogen Skala (VAS) zum Untersuchungszeitpunkt in Ruhe und bei Belastung und nach 4 Wochen bei Belastung erhoben. Nach 4 Wochen haben die Patientinnen nur Belastungsschmerzen angegeben, keine Ruheschmerzen. Der Gruppe B wurden Patientinnen mit Werten auf der VAS von kleiner 2 zugeordnet. Der Gruppe C wurden Patientinnen mit Werten auf der VAS von gleich oder höher als 2 zugeordnet. 2.3 Untersuchung Die Zeitspanne zwischen Entbindung und Zeitpunkt der MRT-Untersuchung betrug in der Gruppe B im Median 5 Tage und in der Gruppe C 3 Tage. Klinische Daten wurden durch eine orientierende körperliche Untersuchung zur Erfassung des symphysealen und iliosakralen Druckschmerzes und einen Patientenfragebogen erhoben. Die Patientinnen kreuzten ihre Schmerzintensität der symphysealen und iliosakralen Schmerzen auf einer visualisierten analogen Skala (Abbildung 18) jeweils in Ruhe und bei Belastung an. 26 ---0---I---1---I---2---I---3---I---4---I---5---I---6---I---7---I---8---I---9---I---10---I Abbildung 18: Visualisierte analoge Skala (VAS) der Schmerzintensität Die Untersuchungen wurden am Magnetresonanztomographen (Magnetom Symphony Vision Siemens, Erlangen, Germany) mit 1,5 Tesla Feldstärke unter Verwendung einer Torso-Spule (Body-Phased-Array-Coil) durchgeführt. Der ventrale Bereich zwischen Spule und Körper wurde gepolstert, so dass kein unmittelbarer Kontakt zwischen Haut und Spule bestand. Durch die Anwendung dieser Torso-Spule konnte im Vergleich zur Body-Spule das Signal-Rausch-Verhältnis optimiert und damit eine höhere Bildqualität erreicht werden. Zum Untersuchungsablauf gehörte zuerst die Anfertigung sogenannter Übersichtsaufnahmen (Scouts). Anhand dieser wurde die parakoronale Schichtorientierung der Folge-Sequenzen geplant (Abbildung 19). An einem sagittalen Scout verläuft die kraniale Schicht von der Oberkante der Symphyse bis zum Promontorium, so dass die Symphysis pubica und beide Sakroiliakalgelenke übersichtlich und parallel zur Beckeneingangsebene dargestellt werden. Beide verwendeten Sequenzen sollten den gesamten knöchernen Beckenring darstellen. Die gesamte Messzeit betrug 9:25 Minuten. Die technischen Parameter beider Sequenzen sind in der Tabelle 1 aufgeführt. 27 Abbildung 19: Graphische Darstellung der Schichtführung Tabelle 1: Untersuchungsprotokoll Sequenzparameter T1- gewichtete Short-Tau-Inversion- Turbospinnechosequenz Recovery - Sequenz (STIR ) Repetitionszeit - TR 500 ms 4000 ms Echozeit 10 ms 60 ms - TE Inversionszeit - TI 150 ms Schichtdicke - SL 4 mm 4 mm Field of view - FOV 270 mm 270 mm Matrix 512 x 512 pixel 512 x 512 pixel Schichtanzahl 12 12 28 2.4 Datenerfassung Es wurde für das Studien-Design das Votum der lokalen Ethik-Kommission der Charité Berlin eingeholt. Alle Probandinnen und Patientinnen waren mit der Durchführung der Untersuchung im Rahmen der Studie einverstanden. Sie erklärten jeweils ihr schriftliches Einverständnis zur Untersuchung und zur Erfassung der folgenden anonymisierten Daten im Rahmen der Studie: Der Verlauf und die Art der Geburt: • Spontangeburt • Sectio cesarea Demographische Daten zum Kind wurden dokumentiert: • Geburtsgewicht • Geburtsgröße • Kopfumfang Die Analyse der MRT-Bildaufnahmen erfolgte im Konsensus-Verfahren von zwei erfahrenen Radiologen. Es wurden die in der Tabelle 2 aufgeführten Daten dokumentiert. Die Beurteilung der erhöhten Signalintensität erfolgte anhand der STIRSequenz. 29 Tabelle 2: Diese Daten wurden im Konsensus von zwei erfahrenen Radiologen beurteilt: Symphysenspaltweite < 5 mm (semiquantitativ) 6 – 10 mm > 10 mm Discus interpubicus normal vermehrtes Flüssigkeitssignal Symphysenkapsel normal verdickt Erhöhte Signalintensität des Beckenrings keine nur Symphyse nur Sakroiliakalgelenk Symphyse und Sakroiliakalgelenk Erhöhte Signalintensität des Os pubis in keine Nachbarschaft der Symphysis pubica lokal konfluierend Ausmaß generalisiert Erhöhte Signalintensität des Os pubis keine Lokalisation unilateral bilateral Erhöhte Signalintensität periartikulär am keine Sakroiliakalgelenk lokal konfluierend Ausmaß generalisiert Erhöhte Signalintensität des keine Sakroiliakalgelenkes unilateral Lokalisation bilateral Erhöhte Signalintensität des keine Sakroiliakalgelenkes – in Beziehung zu ipsilateral symphysealen Veränderungen kontralateral 30 Quantitative Messungen der Symphysenspaltbreite und Messungen der Signalintensität in der STIR–Sequenz im paraartikulären Knochenmark des Os pubis (SI pub) und der Sakroiliakalgelenke (SI sig) im Verhältnis zu einem Referenzpunkt im Os ilium (SI ref) wurden von zwei erfahrenen Radiologen in Konsensus durchgeführt (Tabelle 5). Tabelle 3: Quantitative Messungen Symphysenspalt-Weite mm Signalintensität (STIR-Sequenz): SI pub Knochenmark des Os pubis symphysennah Signalintensität (STIR-Sequenz): SI sig Knochenmark der Sakroiliakalgelenke sakroiliakalgelenksnah Signalintensität (STIR-Sequenz): SI ref Knochenmark eines Referenzpunktes im Os ilium 2.5 Auswertung Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Software-Paket Stat View 5.0 für Macintosh. Die Signifikanz der Unterschiede der Signalintensitäts-Verhältnisse SI pub / SI ref und SI sig / SI ref wurde mittels des Mann-Whitney-U-Testes geprüft. P-Werte < 0,05 wurden als statistisch signifikant definiert. 31 3 Ergebnisse An den 56 Frauen der Gruppe B und C wurden insgesamt 63 Magnetresonanztomographien durchgeführt: • 51 Patientinnen: einmal • 4 Patientinnen: zweimal • 1 Patientin: dreimal Zwei Frauen haben mittels Sectio cesarea entbunden. Beide befanden sich in der Gruppe B. 3.1 Demographische Daten Die Anzahl der untersuchten Frauen mit Altersspanne und Mittelwert pro Gruppe ist in Tabelle 4 dargestellt. Tabelle 4: Demographische Daten Gruppe Anzahl Altersspanne Mittelwert (Jahre) (Jahre) Gruppe A 21 17 - 40 27 Gruppe B 21 21,3 - 38,4 31,7 Gruppe C 35 23,1 - 42,6 30,8 Die Altersverteilung in den einzelnen Gruppen nach Häufigkeit ist in Abbildung 20 bis Abbildung 22 graphisch dargestellt. 32 10 8 Häufigkeit 6 4 2 0 16-20 21-25 26-30 31-35 36-40 Alter (Jahre) Abbildung 20: Diagramm der Altersverteilung in Gruppe A 10 Häufigkeit 8 6 4 2 0 21-25 26-30 31-35 36-40 41-45 Alter (Jahre) Häufigkeit Abbildung 21: Diagramm der Altersverteilung in Gruppe B 16 14 12 10 8 6 4 2 0 21-25 26-30 31-35 36-40 41-45 Alter (Jahre) Abbildung 22: Diagramm der Altersverteilung in Gruppe C 33 3.2 Geburtenzuordnung Die Patientinnen wurden zur Anzahl der ausgetragenen Schwangerschaften befragt. Schwangerschaftsabbrüche wurden nicht mitberücksichtigt. In Tabelle 5 ist die Häufigkeit der Entbindungen in den Gruppen tabellarisch dargestellt. Tabelle 5: Geburtenzuordnung Gruppe Nullipara Primipara Secondipara Multipara Gruppe A 21 0 0 0 Gruppe B 0 15 6 0 Gruppe C 0 22 8 5 Die Daten zu Geburtsgewicht, Geburtsgröße und Kopfumfang der Säuglinge wurden in Tabelle 6 bis Tabelle 8 dargestellt. Tabelle 6: Ergebnisse Geburtsgewicht Gruppe B und Gruppe C Geburtsgewicht von – bis Mittelwert Median Gruppe B 1170 – 3900 g 2760 g 3085 g Gruppe C 2300 – 5300 g 3430 g 3460 g Tabelle 7: Ergebnisse Geburtsgröße Gruppe B und Gruppe C Geburtsgröße von – bis Mittelwert Median Gruppe B 34 – 53 cm 46 cm 50 cm Gruppe C 45 – 56 cm 50 cm 51 cm 34 Tabelle 8: Ergebnisse Kopfumfang Gruppe B und Gruppe C Kopfumfang von – bis Mittelwert Median Gruppe B 28 – 35 cm 29 cm 33 cm Gruppe C 31 – 36 cm 33 cm 35 cm 3.3 Ergebnisse der Bildanalyse Die Ergebnisse der radiologischen Bildanalyse für die einzelnen Gruppen sind in den folgenden Tabellen (Tabelle 9, Tabelle 10, Tabelle 11) aufgeführt. Die erhöhte Signalintensität wird in der STIR-Sequenz beurteilt. 35 Tabelle 9: Ergebnisse der radiologischen Bildanalyse der Gruppe A Gruppe A Anzahl der (Abbildung 23, 24, 25und 26) Patientinnen Symphysenspaltweite < 5 mm 21 (100%) (semiquantitativ) 6 – 10 mm 0 > 10 mm 0 normal 20 (95,2%) vermehrtes Flüssigkeitssignal 1 (4,8%) normal 17 (81%) verdickt 4 (19%) Erhöhte Signalintensität des keine 18 (85,7%) Beckenrings nur Symphyse 1 (4,8%) nur Sakroiliakalgelenk 2 (9,5%) Symphyse und Sakroiliakalgelenk 0 Erhöhte Signalintensität des keine 20 (95,2%) Os pubis in Nachbarschaft der lokal 0 Symphysis pubica konfluierend 1 (4,8%) Ausmaß generalisiert 0 Erhöhte Signalintensität des keine 20 (95,2) Os pubis unilateral 0 Lokalisation bilateral 1 (4,8%) Erhöhte Signalintensität keine 19 (90,5%) periartikulär am lokal 2 (9,5%) Sakroiliakalgelenk konfluierend 0 Ausmaß generalisiert 0 Erhöhte Signalintensität des keine 19 (90,5%) Sakroiliakalgelenkes unilateral 2 (9,5%) Lokalisation bilateral 0 Erhöhte Signalintensität des keine 21 (100%) Sakroiliakalgelenkes – in ipsilateral 0 Beziehung zu symphysealen kontralateral 0 Discus interpubicus Symphysenkapsel Veränderungen 36 Tabelle 10: Ergebnisse der radiologischen Bildanalyse der Gruppe B Gruppe B Anzahl der (Abbildung 27 und 28) Patientinnen Symphysenspaltweite < 5 mm 15 (71,4%) (semiquantitativ) 6 – 10 mm 6 (28,6%) > 10 mm 0 normal 14 (66,7%) vermehrtes Flüssigkeitssignal 7 (33,3%) normal 13 (61,9%) verdickt 8 (38,1%) Erhöhte Signalintensität des keine 3 (14,3%) Beckenrings nur Symphyse 5 (23,8%) nur Sakroiliakalgelenk 2 (9,5%) Symphyse und Sakroiliakalgelenk 11 (52,4%) Erhöhte Signalintensität des keine 5 (23,8%) Os pubis in Nachbarschaft der lokal 8 (38,1%) Symphysis pubica konfluierend 6 (28,6%) Ausmaß (Abbildung 28) generalisiert 2 (9,5%) Erhöhte Signalintensität des keine 5 (23,8) Os pubis unilateral 6 (28,6%) Lokalisation bilateral 10 (47,6%) Erhöhte Signalintensität keine 8 (38,1%) periartikulär am lokal 6 (28,6%) Sakroiliakalgelenk konfluierend 6 (28,6%) Ausmaß (Abbildung 27) generalisiert 1 (4,8%) Erhöhte Signalintensität des keine 8 (38,1%) Sakroiliakalgelenkes unilateral 6 (28,6%) Lokalisation bilateral 7 (33,3%) Erhöhte Signalintensität des keine 15 (71,4%) Sakroiliakalgelenkes – in ipsilateral 3 (14,3%) Beziehung zu symphysealen kontralateral 3 (14,3%) Discus interpubicus Symphysenkapsel Veränderungen 37 Tabelle 11: Ergebnisse der radiologischen Bildanalyse der Gruppe C Gruppe C Anzahl der (Abbildung 29, 30, 31 und 32) Patientinnen Symphysenspaltweite < 5 mm 22 (62,9%) (semiquantitativ) 6 – 10 mm 9 (25,7%) > 10 mm 4 (11,4%) normal 12 (34,3%) vermehrtes Flüssigkeitssignal 23 (65,7%) normal 21 (60%) verdickt 14 (40%) Erhöhte Signalintensität des keine 2 (5,7%) Beckenrings nur Symphyse 10 (28,6%) nur Sakroiliakalgelenk 2 (5,7%) Discus interpubicus Symphysenkapsel (Abbildung 29; Abbildung 30) Symphyse und Sakroiliakalgelenk 21 (60%) Erhöhte Signalintensität des keine 4 (11,4%) Os pubis in Nachbarschaft der lokal 13 (37,1%) Symphysis pubica konfluierend 14 (40%) Ausmaß generalisiert 4 (11,4%) Erhöhte Signalintensität des keine 4 (11,4) Os pubis unilateral 10 (28,6%) Lokalisation bilateral 21 (60%) Erhöhte Signalintensität keine 12 (34,3%) periartikulär am lokal 14 (40%) Sakroiliakalgelenk konfluierend 9 (25,7%) Ausmaß generalisiert 0 Erhöhte Signalintensität des keine 12 (34,3%) Sakroiliakalgelenkes unilateral 11 (31,4%) Lokalisation bilateral 12 (34,3%) Erhöhte Signalintensität des keine 24 (68,6%) Sakroiliakalgelenkes – in ipsilateral 0 Beziehung zu symphysealen kontralateral 11 (31,4%) Veränderungen 38 In der Gruppe A (Tabelle 9) fand sich bei 19 Probandinnen ein homogenes Signalverhalten des Beckenskeletts, insbesondere waren keine Signalerhöhungen des paraartikulären Knochenmarks der Symphyse oder der Sakroiliakalgelenke in der STIRSequenz nachweisbar (Abbildung 23 und 24, Abbildung 25 und 26). Bei zwei Probandinnen zeigten sich Signalvermehrungen in der STIR-Sequenz. Bei einer an der Symphyse und den Sakroilikalgelenken, die auf eine erhöhte Belastung durch regelmäßiges Lauftraining für Marathon-Wettkämpfe zurückführen waren, bei der anderen nur an den Sakroilikalgelenken, welche durch regelmäßigen Tanzsport bedingt interpretiert wurden. Die Weite des Symphysenspaltes war bei allen Probandinnen in dieser Gruppe kleiner als 5 mm. Abbildung 23: Beschwerdefreie Nullipara. T1-TSE Sequenz mit asymmetrischer Symphyse als Normvariante 39 Abbildung 24: Beschwerdefreie Nullipara. Die STIR Sequenz stellt das pelvine Knochenmark homogen signalarm dar Abbildung 25: Beschwerdefreie Nullipara. T1-TSE-Sequenz mit regelrechter Anatomie der Symphyse 40 Abbildung 26: Beschwerdefreie Nullipara. Die STIR Sequenz stellt das pelvine Knochenmark homogen signalarm dar In der Gruppe B (Tabelle 10) fanden sich Signalvermehrungen der Symphyse und der Sakroiliakalgelenke in der STIR-Sequenz bei 17 Frauen (80,9%) (Abbildung 27 und Abbildung 28). Signalvermehrungen des paraartikulären Knochenmarks der Sakroiliakalgelenke waren bei 13 (61,9%) und des Os pubis bei 15 (71,4%) Frauen diagnostiziert worden. Der Symphysenspalt war bei 6 Frauen (28,6%) größer als 5 mm. Bei keiner Frau war er jedoch größer als 10 mm. 7 Frauen (33%) wiesen vermehrte Flüssigkeitssignale im Discus interpubicus in der STIR-Sequenz auf. Die beiden Frauen, welche per Sectio cesarea entbunden hatten, zeigten ein SIpub/SIref von 3,1 und 1,4 sowie ein SIsig/SIref von 0,8 und 1,6. 41 Abbildung 27: STIR-Sequenz. Beschwerdefreie Primipara mit umschriebenem paraartikulärem Knochenmarködem am linken Sakroiliakalgelenk (Pfeile) Abbildung 28: STIR-Sequenz. Beschwerdefreie Primipara mit umschriebenem Knochenmarködem im rechten Os pubis an der Symphyse (Pfeil) In der Gruppe C (Tabelle 11) fanden sich Signalalterationen des paraartikulären Knochenmarks (Abbildung 29 und Abbildung 30) mit Erhöhungen der 42 Signalintensitäten in der STIR-Sequenz nur im Os pubis bei 31 (88,6%) Frauen und nur sakroilikalgelenksnah bei 23 (65,7%) der Frauen. Signalvermehrungen entweder an der Symphyse oder an den Sakroiliakalgelenken waren bei 33 (94,3%) der Patientinnen nachweisbar. Zwei Patientinnen mit postpartalen Schmerzen zeigten keinerlei Signalalterationen. Die Symphysenspaltweite war bei 13 Patientinnen (37,1%) größer als 5 mm, davon bei vier Patientinnen (11,4%) größer als 10 mm (Abbildung 31). Abbildung 29: T1-TSE-Sequenz. Symphysenkontusion mit symphysealen Beschwerden. Normale Symphysenspaltweite mit Signalminderungen des linken Schambeines (Pfeil) sowie des kontralateralen Darmbeines (Pfeilspitzen) 43 Abbildung 30: STIR-Sequenz. Korrespondierende Veränderung aus Abb. 29 mit hyperintensem Knochenmarködem (Pfeil und Pfeilspitzen) Abbildung 31: Symphysenruptur. T1-TSE-Sequenz mit auf 12 mm erweitertem Symphysenspalt (Pfeile) sowie prä- und retrosymphysärem Hämatom (Pfeilspitzen) 44 Abbildung 32: STIR-Sequenz mit umschriebenem parasymphysärem Knochenmarködem (Pfeilspitzen) und hyperintenser Darstellung des Hämatoms (Stern). Flüssigkeitssignal in beiden Sakroiliakalgelenken (Doppelpfeilspitzen) Sowohl Gruppe B als auch Gruppe C (Tabelle 12) wiesen im Vergleich zur Referenzgruppe A signifikant höhere Quotienten SIpub/SIref und SIsig/SIref auf (p≤0,0002 bei allen vier Vergleichen). Die Gruppen B und C unterschieden sich untereinander nicht signifikant hinsichtlich der Quotienten SIpub/SIref und SIsig/SIref (p=0,36 bzw. p=0,83). Die unterschiedliche Häufigkeit des Auftretens von Signalvermehrungen im Bereich des Discus interpubicus war statistisch signifikant (p=0,02). Die Kinder in der Gruppe C zeigten im Vergleich mit Gruppe B ein höheres Geburtsgewicht (p=0,002), eine höhere Körperlänge (p=0,02) und einen größeren Kopfumfang (p=0,002). Keine nennenswerten Unterschiede zeigten sich beim Vergleich der beiden Gruppen B und C hinsichtlich der Lokalisation oder der Ausdehnung der Signalveränderungen an der Symphyse (keine/ unilateral/ bilateral bzw. keine/ lokal/ konfluierend/ generalisiert) und an den Sakroiliakalgelenken (keine/ unilateral/ bilateral bzw. keine/ lokal/ konfluierend/ generalisiert). Ebenfalls ließen sich keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen feststellen, unabhängig davon ob die Veränderungen nur an der Symphyse, nur an den Sakroiliakalgelenken oder an beiden Lokalisationen vorlagen (Abbildung 29 und Abbildung 30). Die Patienten der Gruppe C unterschieden sich nicht signifikant von den 45 beiden per Kaiserschnitt entbundenen Frauen hinsichtlich Signalvermehrungen an der Symphyse oder den Sakroiliakalgelenken. Die Weite des Symphysenspaltes (Tabelle 13) unterschied sich signifikant zwischen den drei Gruppen (Gruppe A vs. B: p<0,0001, Gruppe A vs. C: p<0,0001, Gruppe B vs. C: p=0,03). 46 Tabelle 12: Zusammenfassung der Ergebnisse der quantitativen Auswertung Parameter Gruppe A Gruppe B Gruppe C Gesunde Post partum, Post partum, Kontrollgruppe keine Symptome mit Symptomen Anzahl der Patientinnen 21 21 35 Mittlere Weite des 3,4 mm 5,4 mm 6,7 mm Symphysenspaltes (2 mm – 4 mm) (4 mm – 9 mm) (3 mm – 14 mm) Mittlere SIpub/SIref Ratio 1,2 2,2 2,5 (Spanne) (0,8 – 1,6) (0,8 – 4,8) (1,1 – 4,6) Mittlere SIsig/SIref Ratio 0,9 1,5 1,5 (Spanne) (0,7 – 1,2) (0,8 – 2,6) (0,5 – 3,0) (Spanne) Tabelle 13: Vergleich der Symphysenspaltweite zwischen Gruppe B und C Parameter Vergleich zwischen Gruppe B und Gruppe C Mittlere Weite des Symphysenspaltes (Spanne) p=0,03 Mittlere SIpub/SIref Ratio p=0,36 (Spanne) Mittlere SIsig/SIref Ratio p=0,83 (Spanne) Geburtsgewicht p=0,002 (Spanne) Geburtsgröße p=0,02 (Spanne) Kopfumfang p=0,002 (Spanne) 47 4 Diskussion Von den alten Ägyptern bis zum Mittelalter galt das Auseinanderweichen der Beckenverbindungen in der Schwangerschaft als Regel (Holzbach, E., 1925). Am Anfang des letzten Jahrhunderts schwankten die Angaben einer diagnostizierten peripartalen Symphysenruptur zwischen 1: 10000 und 3: 94 000 (Kehrer, E., 1915). Damals wurde die Dehnbarkeit der Beckengelenke durch manuelle Untersuchungen beurteilt und bereits während der Schwangerschaft beobachtet (Bäcker, J., 1904). Klinische Zeichen einer Symphysenschädigung (Lemberger, F., 1963) waren: • Druckschmerzempfindlichkeit der Symphyse und der Sakroiliakalgelenke. • Schmerz in der Symphysengegend beim Druck auf die Trochanteren. • Unfähigkeit, im Liegen die Beine zu bewegen; bei passiver Bewegung der Beine Auslösung starker Schmerzen. • Unmöglichkeit einer Seitenlagerung mit erheblichen Schwierigkeiten beim aktiven Anheben der Beine in Seitenlage. • Unterleibsschmerzen mit Ausstrahlung in die Oberschenkel. • Diffuse Rückenschmerzen. • Krachen und plötzlicher Schmerz beim Zerreißen der Schamfuge. • Spalt zwischen den Schambeinästen breiter als gewöhnlich, in ausgeprägten Fällen mit tastbarer Lücke. Eine Erweiterung der Schambeinenden um 0,5 bis 0,75 cm wurde als physiologisch angesehen, erst mit Auftreten der Beschwerden galt diese Erweiterung als pathologisch. Nicht nur während der Geburt, sondern auch während der Schwangerschaft, im Wochenbett und außerhalb dieser Zeiten infolge schwerer Traumata können klinisch und bildmorphologisch vergleichbare fassbare Veränderungen am Beckenskelett entstehen (Lemberger, F., 1963). Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen am 8. November 1895 wurden 1896 die ersten Versuche unternommen, Aufnahmen vom Becken anzufertigen. In seinem Buch „Die Röntgenstrahlen in Gynäkologie und Geburtshilfe“ fasste H. Eymer (Eymer, H., 1913) die Entwicklung der Untersuchungsmethoden in der diagnostischen und therapeutischen Gynäkologie sowie in der Geburtshilfe zusammen. In der diagnostischen Gynäkologie wurden Aufnahmen zur Fremdkörpersuche und der Suche 48 nach Kalzifikationen durchgeführt. In der Geburtshilfe waren Pinard und Varnier die ersten, die geburtshilfliche Beckenaufnahmen an Leichen durchgeführt haben, da die Expositionsdauer drei Stunden betrug. In den nachfolgenden Jahren, als die Expositionsdauer auf zwei Minuten sank, konnten die ersten brauchbaren Aufnahmen an Frauen postpartal zum Nachweis des Symphyseotomiespaltes durchgeführt werden. 1898 hatte Bouchacourt mit der Endodiaskopie (eine Lichtquelle wurde in das Rektum oder die Vagina eingeführt) die Symphyse und das Kreuzbein sichtbar gemacht. 1900 hatte Wormser anhand von Röntgenaufnahmen Aufschlüsse über Form und Größe des Beckens mit nachfolgender Geburtsprognose hergeleitet. Das Klaffen der Symphyse hatte Chambrelent 1902 erstmals bei trächtigen Tieren im Röntgenbild dargestellt. Marques beschrieb 1908 sechzehn Fälle mit Luxation der Schoßfuge unter Distorsion der Sakroiliakalgelenke (Eymer, H., 1913). Martius hatte sich 1927 (Martius, H., 1927) mit Beckenmessungen vor und während Geburten befasst, da damals häufige Erkrankungen wie Rachitis, Tuberkulose, Lues und Osteomalazie zu pathologischen Knochenveränderungen mit Beckendeformierungen führten. Er hatte in seinen Messungen den Flächeninhalt des Beckeneingangsraums bestimmt, damit Patientinnen mit zu engem Becken rechtzeitig vor der Geburt erkannt werden konnten (Martius, H., 1927). Später hatte er das Schwangerschaftsphänomen, die röntgenographisch nachweisbare Verschiebung beider Schambeinfugen in der aufgelockerten Schamfuge bei ungleichmäßiger Körperbelastung beschrieben (Haenisch and Holthusen, 1947). Mit den Funktionsaufnahmen der Symphyse hatte sich neben Martius 1933 (Martius, H., 1933) auch Chamberlain 1930 (Chamberlain and Edward, 1930) beschäftigt und dabei die gegenseitige Verschieblichkeit der Schambeine unter Standbeinwechsel beobachtet. Diese Aufnahmetechnik war nicht nur zum Erkennen der Symphysenlockerung wichtig, sondern konnte auch ein Hinweis auf eine verstärkte Beweglichkeit eines Kreuzdarmbeingelenkes sein. Da die Symphyse mit dem Kreuzdarmbeingelenk eine funktionelle Einheit bildet, aber nicht die starke Kapsel- und Bandsicherung derselben besitzt, wirkt sich eine gesteigerte Beweglichkeit des Sakroiliakalgelenkes zwangsläufig in einem deutlichen Bewegungsausschlag der symphysären Schambeinäste (Dihlmann, W., 1978) aus. Auch in einem normalen Kollektiv (Auswertung von je 500 weiblichen und männlichen Erwachsenen) fand sich in ca. 12% ein Höhenunterschied der symphysären Schambeinäste, davon ca. 80% bei Frauen und 20% bei Männern. In ca. 70% waren die untersuchten Personen über 50 Jahre alt (Dihlmann, W., 1992). Bei der Untersuchung im Liegen gilt der asymmetrische Stand nicht als Indikator oder 49 Verdachtshinweis auf eine Lockerung der Beckenverbindungen. Da bei Frauen eine Höhendifferenz über 2 mm viermal häufiger als bei Männern nachgewiesen wurde, ist eine Verbindung mit der Auflockerung der Symphyse während des Menstruationszyklus und nach durchgemachten Geburten zu sehen (Dihlmann, W., 1992). Die Breite des Symphysenspaltes wurde bei Frauen mit 4,5 mm ± 2,8 mm und bei Männern mit 4,6 mm ± 2,8 mm, die der Sakroiliakalgelenke bei Frauen 2,3 mm ± 1,2 mm und bei Männern 2,1 mm ± 1,2 mm gemessen (Dihlmann, W., 1992). Auch Kamieth und Reinhardt (Kamieth and Reinhardt, 1983) hatten eine Auswertung an 1000 Beckenübersichtsaufnahmen vorgenommen und dabei einen ungleichen Symphysenstand bei 22,6 % der Fälle festgestellt. Auch hier waren deutlich mehr Frauen als Männer betroffen, 87% Frauen (überwiegend im geschlechtsreifen Alter) gegenüber 13% Männern. 1955 hatte Fochem (Fochem, K., 1955) 100 Patientinnen prae und post partum röntgenologisch mit je einer Aufnahme der Symphyse in standardisierter Technik untersucht. Bei 88 Fällen war der Abstand der Symphyse gleich geblieben, bei acht Fällen war eine Weiterstellung der Symphyse nachweisbar und bei vier Primiparae traten eindeutige pathologische Veränderungen auf. Nachdem erstmals 1968 die Ultraschalldiagnostik auf einem Orthopädenkongress vorgestellt wurde, nutze sie auch diese Fachrichtung zur Untersuchung von Traumafolgen. Nach Ausschluss knöcherner Verletzungen wurde diese Methode auch zur Verlaufskontrolle nach Symphysensprengung eingesetzt. Eine sonographische Untersuchung bietet sich als eine einfache, schnelle und beliebig oft wiederholbare Methode zur Darstellung von Symphysenveränderungen an (Huppertz et al., 1990). Die sonographisch gemessene normale Symphysenspaltweite wurde mit 4 mm angegeben (Schoellner et al., 2001). Eine kontinuierliche Zunahme um 3 mm im Verlauf der Gravidität galt als physiologisch, so dass am Anfang der Schwangerschaft der Symphysenspalt 4 mm, am Ende der Schwangerschaft 7 mm betragen kann. Zusätzliche Hinweise auf einen Symphysenschaden kann die Untersuchung in der Transversalebene und im Einbeinstand geben, wo neben einer Erweiterung des Spaltes eine Stufenbildung darstellbar werden kann. Als pathologisch wird eine Stufenbildung der Schambeine über 5 mm und eine Spaltbildung über 10 mm angenommen (Bahlmann et al., 1993). Ab einer Symphysenspaltweite über 9,5 mm seien Beschwerden zu erwarten. Der Schweregrad der Symptomatik korreliert nicht immer mit der gemessenen Spaltweite (Schoellner et al., 2001, Schmidt-Matthiesen and Wallwiener, 2005). 50 Auch die Computertomographie wurde als schnelle, einfache Methode zur Untersuchung des Beckens genutzt (Federle et al., 1982). Um die Patientinnen nur wenig mit ionisierenden Strahlungen zu belasten, wurden präpartale Pelvimetrien zum Ausschluss cephalopelviner Disproportionen mittels eines CT-Scanogramms durchgeführt, deren Strahlenexposition nur rund ein Zehntel im Vergleich zu einer mittels konventioneller Röntgenaufnahmen durchgeführten Pelvimetrie (Herrmann, K., et al. 1990) betrug. Auch die Veränderungen im Becken post partum wurden in der CT untersucht. Bei Untersuchungen an beschwerdefreien Patientinnen innerhalb von 24 Stunden nach vaginaler Entbindung betrug die Symphysenweite zwischen 0,3 und 1,1 cm (Garagiola et al., 1989). Im Unterschied zum Kontrollkollektiv fanden sich bei 31% der Untersuchten Gasansammlungen im Symphysenspalt (Garagiola et al., 1989). Die Weite der Sakroiliakalgelenke wurde zwischen 0,2 und 0,6 cm gemessen, Gas im sakroiliakalen Gelenkspalt hatten 42% Patientinnen, davon 14% beidseits (Garagiola et al., 1989). Da sich Gas im Sakroiliakalgelenk auch im normal weiten Gelenk findet, war ein Zusammenhang zwischen Gasansammlungen und der Gelenkspaltweite nicht erkennbar. Neben den Veränderungen am Beckenring ließen sich mittels der Computertomographie in einem Untersuchungsgang Pathologien am Uterus und den Weichteilen darstellen (Garagiola et al., 1989). Die Anzahl der cephalopelvinen Disproportionen wurde mit einer Häufigkeit von 4% angegeben (Spätling et al., 1990). Da ein Anstieg des durchschnittlichen Körpergewichts der Neugeborenen in der Mitte des letzten Jahrhunderts gemessen wurde und von einer Zunahme der Inzidenz pelviner Disproportionen ausgegangen wurde, bot sich die Magnetresonanztomographie (MRT) als neues Verfahren zur präpartalen Pelvimetrie an (Wischnik et al., 1989,; Spätling et al., 1990, Sigmund et al., 1991). Im gleichen Untersuchungsgang konnten Veränderungen am Fetus wie eine atypische fetale Anatomie, Ventrikulomegalie, Arachnoidalzysten und die Position des kindlichen Kopfes erfasst werden. Zudem liefert die MRT bessere Informationen über das Beckenweichteilgewebe als die konventionellen Untersuchungen mittels Röntgenstrahlen, so dass neben der oben erwähnten Pelvimetrie auch Veränderungen am inneren Genitale, Plazenta-Pathologien oder Hydroureteronephrosen erkannt werden konnten (Stark et al., 1985, Dudenhausen et al., 1989, Levine et al., 1999). Die MRT erwies sich als eine präzise Methode mit einem Messfehler unter 1% (Spörri et al., 1994, Hötzinger and Spätling, 1994). Obwohl als nichtinvasive Methode ohne ionisierende Strahlung für die Geburtshilfe von großem Vorteil, war deren Nutzung 51 zuerst durch die hohen Kosten und die geringe Verfüglichkeit eingeschränkt. Mit der zunehmenden Verbreitung der MRT stellte sie in der Diagnostik immer häufiger eine Ergänzung zur Sonographie dar. Bei dem Verdacht auf eine Symphysenlockerung während der Schwangerschaft wurde die MRT zunehmend zum Ausschluss geburtsmechanisch relevanter Beckendeformitäten, die einen Einfluss auf das geburtshilfliche Vorgehen haben könnten, eingesetzt (Weinreb et al., 1985, SeelbachGöbel, B., 1998). Die präpartale Abschätzung der räumlichen Möglichkeiten der Vaginalgeburt erschien bei den heutigen Möglichkeiten einer operativen Beendigung einer Geburt sinnvoll, da ein rechtzeitiges Erkennen der Beckenmitten- und Beckenausgangs-Disproportionen mehrere Stunden frustraner und stressender Wehentätigkeit sowohl der Mutter als auch dem Kind erspart werden konnten und damit die perinatale Morbidität gesenkt werden konnte (Reisner et al., 1985, Keller et al., 2003). In die Studie von Wurdinger et al. (Wurdinger et al., 2002) wurden neben 13 asymptomatischen postpartalen Frauen auch sechs mit schweren Beckenschmerzen eingeschlossen, von denen eine die typischen klinischen Zeichen einer Symphysenruptur aufwies. Die entsprechenden MRT-Bilder dieser Patientin wiesen Flüssigkeitsansammlungen zwischen beiden Schambeinen und eine Verdickung der Gelenkkapsel auf, die interpubische Distanz betrug 7 mm. Die genannten Fälle zeigten, dass die Diagnose einer Symphysenruptur nicht allein durch die Messung der Distanz der beiden Schambeine im Röntgenbild, Ultraschall oder MRT gestellt werden kann. Der von Lindsey et al. (Lindsey et al., 1988) angegebene Grenzwert von 10 mm für die Diagnose einer Symphysenruptur anhand der konventionellen Röntgenuntersuchung kann deshalb heute nur als Richtwert gelten. Eine Distanz von weniger als 10 mm schließt nach unseren Ergebnissen jedoch eine postpartale Symphysenlockerung nicht aus. Größere diagnostische Sicherheit kann durch die Anfertigung von RöntgenFunktionsaufnahmen im Einbeinstand erreicht werden (Death et al., 1982). Die Diagnostik mittels Ultraschall bietet sich als am Krankenbett verfügbare und ohne ionisierende Strahlung auskommende Methode für die Detektion der Symphysenlockerung an. Ihr Wert zur Beurteilung der Symphysenspaltbreite bei nichtschwangeren Frauen präpartal und postpartal wurde bereits untersucht (Huppertz et al., 1990, Bahlmann et al., 1993, Bjorklund et al., 1996, Schoellner et al., 2001). Eine physiologische Erweiterung der Symphyse um 2 bis 3 mm wird von Bahlmann (Bahlmann et al., 1993) und Schoellner (Schoellner et al., 2001) berichtet. Diese 52 Ergebnisse wurden durch die MR-tomographischen Untersuchungen von Wurdinger (Wurdinger et al., 2002) und die Ergebnisse der hier vorliegenden Studie bestätigt. Schoellner et al. berichteten über sonographisch gemessene Symphysenspaltbreiten, wobei symptomfreie Frauen sowohl prä- als auch postpartal etwa gleiche Werte von durchschnittlich 6,7 mm und Frauen mit postpartalen Symphysenbeschwerden mit durchschnittlich 10,6 mm signifikant höhere Messwerte aufwiesen (Schoellner et al., 2001). Während Wurdinger und Mitarbeiter keinen Unterschied der Symphysenspaltweite zwischen symptomatischen und asymptomatischen Frauen fanden (Wurdinger et al., 2002), zeigte sich in unserer Studie ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen, welcher jedoch durch insgesamt nur drei Patientinnen mit sehr weiten Symphysenspalten von deutlich über 10 mm hervorgerufen wurde. Es bedarf also eines anderen Parameters als der Breite des Symphysenspaltes, um die pathologische Symphysenruptur sicher von physiologischen peripartalen Veränderungen der vorderen Beckenringverbindung abzugrenzen: Bei der Darstellung des Knochenmarkes der Schambeine waren klare Unterschiede zwischen Nullipara und postpartalen Frauen ersichtlich. Nur einzelne, sportlich sehr aktive Frauen unserer Kontrollgruppe wiesen Signalvermehrungen in der STIR-Sequenz auf. Diese waren bei Patientinnen der Gruppe B (beschwerdefreie postpartale Frauen) in 76% der Fälle und in Gruppe C (postpartale Patientinnen mit Beschwerden) in 86% der Fälle nachweisbar. Diese als Symphysenkontusion anzusehenden Befunde könnten durch Relaxinvermittelte Wassereinlagerungen im Knochenmark in Verbindung mit dem prä- und peripartalen „Beckenstress“ entstanden sein (MacLennan, A.H., 1981, Goldsmith et al., 1995). Dies wird von der Beobachtung gestützt, dass in unserem Patientengut zwei symptomfreie Patientinnen, die durch Sectio cesarea entbunden hatten, vergleichbare Veränderungen wie Patientinnen nach vaginaler Entbindung aufwiesen. Bei der Analyse von schwangerschaftsbedingten Veränderungen des Beckenskeletts sollte das Augenmerk nicht nur auf die Symphysis pubica, sondern auch auf die Sakroiliakalgelenke als dorsale Verbindungen des Beckenringes gerichtet werden. Borell und Fernström untersuchten 1957 röntgenologisch die Bewegungen der Sakroiliakalgelenke wärend der Schwangerschaft und beschrieben die Relation zwischen Sakrum und Darmbeinen als komplexe Bewegung, die in einer Vergrößerung des sagittalen Durchmessers in der Beckenausgangsebene um 1 cm bis 2 cm resultiert (Borell and Fernström, 1957). CT-morphologisch konnten an bis zu 42% der 53 Sakroiliakalgelenke postpartale Erweiterungen der Gelenkspalten oder Gaseinlagerungen gezeigt werden (Garagiola et al., 1989). Untersuchungen des normalen peripartalen Status der Sakroiliakalgelenke mittels MRT sind rar, obwohl mehrere Arbeiten die normale postpartale Morphologie der intrapelvinen Organe untersuchten, dabei aber nicht auf die ossären Veränderungen eingingen (Woo et al., 1993, Willms et al., 1995, Pellerin et al., 1999). Die beiden Fälle, über die Kurzel et al. berichteten, zeigten keine Auffälligkeiten in der Sakralregion (Kurzel et al., 1996). Gleiches gilt für die Mehrzahl der Fälle aus der Studie von Wurdinger et al.. Hier wies eine Patientin eine sakrale Stressfraktur auf (Wurdinger et al., 2002). Über dieses Krankheitsbild wurde als seltene peripartale Komplikation von Rousiere et al. und Thienpont et al. berichtet (Thienpont et al., 1999, Rousiere et al., 2001). Die Daten unserer Studie zeigten, dass sowohl asymptomatische als auch symptomatische Frauen postpartal in mehr als 60% der Fälle Signalvermehrungen an den Sakroiliakalgelenken aufwiesen. Die Verwendung dieses Zeichens als diagnostisches Kriterium zur Unterscheidung zwischen einer behandlungsbedürftigen Symphysenruptur und physiologischen postpartalen MRT-Befunden ist deshalb nicht möglich. Das Muster der sakroiliakalen Veränderungen ist jedoch mit frühen Formen einer Hyperostosis triangularis ilii (Dihlmann, W. 1976, Olivieri et al., 1990) identisch, so dass die Hypothese einer schwangerschaftsinduzierten Genese der Hyperostosis triangularis ilii weiter untermauert werden konnte. Zusammenfassend lassen sich bildgebend drei Phänotypen unterscheiden: 1. normale Morphologie des Beckenringes, 2. peripartale Kontusion des Beckenringes und 3. Symphysenruptur. Sakroiliakalgelenksprengungen oder Kreuzbeinflügelrupturen gehören ebenfalls zu letzterem. In Gruppe 2 ließ sich eine klare Trennlinie zwischen Kontusionen bei Patientinnen mit Schmerzen und kontusionsähnlichen periartikulären Signalveränderungen bei postpartalen Probandinnen ohne Schmerzen nicht ziehen. Symphysenrupturen ließen sich dagegen klar als pathologische Veränderungen differenzieren. Folgende diagnostische Kriterien für eine sichere MR-tomographische Diagnose einer Symphysenruptur möchten wir daher vorschlagen: 1. Signalvermehrungen der parasymphysären Anteile der Schambeine unilateral oder bilateral in der STIR-Sequenz. 2. Distanzierung der Schambeine von mehr als 10 mm. 54 3. Signalvermehrungen im interpubischen Raum in der STIR-Sequenz als Ausdruck der Hämatombildung. Liegen lediglich Signalvermehrungen der parasymphysären Anteile der Schambeine unilateral oder bilateral in der STIR-Sequenz ohne die Kriterien 2 und 3 vor, kann die Diagnose einer Symphysenkontusion (synonym Symphysenlockerung) nur bei entsprechendem klinischem Befund gestellt werden. 55 Zusammenfassung Erstmals wurden an einem größeren Kollektiv Veränderungen des gesamten Beckenrings durch geburtsbedingte Mehrbelastungen im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen mittels Magnetresonanztomographie durchgeführt. Dank der Möglichkeit der multiplanaren Schichtführung in der MRT konnte eine parakoronale Schichtorientierung parallel zur Conjugata vera konzipiert werden, welche eine Beurteilung des gesamten Beckenringes einschließlich der Symphyse und der Sakroiliakalgelenke erlaubte. Ziel war eine schnelle, einfache und die Patientinnen nicht belastende Untersuchung. Innerhalb von 10 Minuten ließen sich eine T1-gewichtete TSE-Sequenz und eine STIR-Sequenz durchführen, mit deren Hilfe alle potentiell geburtstraumatischen Veränderungen an der Symphyse und den Sakroiliakalgelenken analysierbar waren. Insgesamt wurden 77 Frauen in die Studie eingeschlossen. Für die Kontrollgruppe (Gruppe A) wurden 21 gesunde Probandinnen rekrutiert. Die postpartal untersuchten Frauen wurden anhand ihrer, auf einer visualisierten analogen Skala angegebenen Beschwerden, in zwei Gruppen eingeteilt. In die „beschwerdefreie Gruppe“ (Gruppe B) (VAS<2) wurden 21 Wöchnerinnen, in die Gruppe C mit postpartalen symphysealen und/oder sakroilikalen Schmerzen (VAS≥2) wurden 35 Patientinnen eingeschlossen. Die Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Probandinnen der Gruppe A zeigten in der MRT ein normales Signalverhalten des Knochenmarkes und normale Symphysenweiten unter 5 mm. 2. In der beschwerdefreien Gruppe B lag bei keiner Frau die Symphysenweite über 10 mm, bei 29% zwischen 6 und 10 mm. 3. In der Gruppe C mit postpartalen Beschwerden war bei 11,4% (4 Fälle) der Symphysenspalt weiter als 10 mm. Statistisch ergab sich bei der mittleren Spaltweite ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen A, B und C (3,4 mm vs. 5,4 mm vs. 6,7 mm). 4. Pathologische MRT-Signalalterationen des paraartikulären Knochenmarkes des symphysennahen Os pubis wiesen in der Gruppe B 76,2 % (16 Frauen), gegenüber 88,6 % (31 Frauen) in der Gruppe C auf. 56 5. Pathologische MRT-Singnalalterationen des paraartikulären Knochenmarkes der Sakroilikalgelenke wiesen in der Gruppe B 61,9 % (13 Frauen) und in der Gruppe C 65,7 % (23 Frauen) auf. 6. Bei 7 (20%) Patientinnen mit postpartalem Beckenschmerz in der Gruppe C wurden Zerreißungen der Symphysenkapsel und in 23 (65,7%) Fällen ein interpubisches Hämatom nachgewiesen. 7. Da in mehr als 60% der symptomatischen und der asymptomatischen Frauen Signalveränderungen an den Sakroilikalgelenken aufwiesen, könnte dieses Kriterium als möglicher Vorbote einer späteren Hyperostosis triangularis ilii et sacrii von Bedeutung sein. Die Symphysenlockerung ist keine Krankheit. Da zwischen "normal" und "krankhaft" fließende Übergänge bestehen, konnte die MRT-Untersuchung bei postpartalen Beschwerden im Beckenbereich dazu dienen, zwischen dem physiologischen Zustand und einer pathologischen Veränderung unterscheiden zu helfen. Folgende diagnostische Kriterien für eine sichere MR-tomographische Diagnose einer Symphysenruptur möchten wir daher vorschlagen: 1. Signalvermehrungen der parasymphysären Anteile der Schambeine unilateral oder bilateral in der STIR-Sequenz. 2. Distanzierung der Schambeine von mehr als 10 mm. 3. Signalvermehrungen im interpubischen Raum in der STIR-Sequenz als Ausdruck der Hämatombildung. Liegen lediglich Signalvermehrungen der parasymphysären Anteile der Schambeine unilateral oder bilateral in der STIR-Sequenz ohne die Kriterien 2 und 3 vor, kann die Diagnose einer Symphysenkontusion (synonym Symphysenlockerung) nur bei entsprechendem klinischem Befund gestellt werden. In einem Untersuchungsgang ist es ohne Einsatz ionisierender Röntgenstrahlung und ohne höhere Belastung der Patientinnen möglich, nicht nur die vorderen Beckenverbindungen nach Erweiterungen und Kontusionen, sondern auch die dorsal gelegenen und für die Sonographie nicht zugänglichen Sakroilikalgelenke zu untersuchen. Die MRT ist ein geeignetes und schnelles Verfahren zur Abklärung postpartaler Beckenbeschwerden, da sie eine Symphysenkontusion bzw. Lockerung von einer therapiepflichtigen Symphysenruptur differenzieren kann. Gleichzeitig können begleitende Verletzungen an den inneren Beckenorganen entdeckt werden, die auch als Ursache für postpartale Beschwerden in Frage kommen. 57 Literatur Albert, H.B. 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Lebenslauf Persönliche Daten Lynda Vsianska geb. am 23.02.1970 in Brüx in der Tschechischen Republik ledig Schulbildung 1976 -1984 Grundschule in Brüx 1984 -1988 Gesundheitsmittelschule in Aussig an der Elbe Studienfach Medizinlaborant (MTA) mit Abitur Weiterbildung 1988 - 1989 Medizinische Fakultät der Karls-Universität in Prag 1990 Übersiedlung in die BRD 1991 Deutsche Sprachprüfung in Geseke-Eringenfeld 1991 - 1992 Eichendorff-Kolleg Geilenkirchen 1992 - 1993 Medizinische Fakultät, Universität Aachen 1993 - 1999 Medizinische Fakultät, Ruhr-Universität Bochum 1999 - 2000 ÄiP, Chirurgie, Augusta-Kranken-Anstalt Bochum 2001-heute Assistenzärztin, Radiologie, Augusta-Kranken-Anstalt Bochum Lynda Vsianska