Evaluation und Weiterentwicklung eines metakognitiven Selbsthilfeansatzes bei Zwangsstörungen Marit Hauschildt & Steffen Moritz DGZ Jahrestagung, Münster 2012 Versorgungssituation bei der Zwangsstörung Einführung • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hochwirksam (d = 1.24) Methodik • weitere Verfahren in Erprobung Ergebnisse Diskussion • Antidepressiva wirksam, relativ gut verträglich • hohe Behandlungslücke (nur ca. 40-60% suchen aktiv Therapie auf), häufige Gründe: schwankende Krankheitseinsicht, Scham, zwangstypische Ängste • langes Intervall von Ersterkrankung bis Behandlung (6-9 Jahre) • Zwang = „heimliche Erkrankung“ (Gava et al., 2007; Kohn et al., 2004; Voderholzer et al., 2011) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Selbsthilfe Einführung Methodik • Selbsthilfe/ Bibliotherapie: Aufklärung + Anleitung zur Selbstanwendung erprobter Techniken • selten auf Wirksamkeit untersucht Ergebnisse Diskussion • unterliegen oft keiner wissenschaftlichen/ethischen Prüfung • bietet niedrigschwellige Alternative bei geringer Therapiemotivation/Verfügbarkeit • teilweise pseudo-wissenschaftlich evtl. sogar schädlich? (Mataix-Cols & Marks, 2006; Moritz et al., 2011) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Überblick Vorstellung eines Selbsthilfemanuals „Metakognitives Training bei Zwangsstörung (myMKT)“ Einführung Methodik Erste Ergebnisse einer aktuellen Wirksamkeitsstudie Diskussion & Ausblick Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Was ist das MyMKT bei Zwangsstörungen? Ein Manual zur Selbstanwendung oder zur ergänzenden Anwendung in Psychotherapien Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Was ist das MyMKT bei Zwangsstörungen? Einführung Methodik Ergebnisse Aufbau Metakognition = „Denken über das Denken“ gezielte Information und Anleitung zur Selbstanwendung von Übungen → Aufklärung und „Aha-Erlebnisse“ umfassend aber möglichst kurz humorvoll aber wertschätzend empirische Untermauerung aber kein Fachchinesisch Diskussion Inhalt 6 kognitive Verzerrungen (OCD-Working Group) häufige sekundäre Probleme (z.B. Depression) und spezifische Ängste (z.B. „verrückt“ zu werden) bewährte und neue Methoden und Techniken der KVT eigene Befunde (z.B. unrealistischer Optimismus, latente Aggression) und Maßnahmen (Assoziations- sowie Aufmerksamkeitsspaltung) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Inhalt Übersicht 14 Denkverzerrungen Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. Schlechte Gedanken sind nicht normal? Schlimme Gedanken führen zu schlimmen Taten? Die Gedanken müssen dem eigenen Willen gehorchen? Die Welt ist gefährlich? Schlechte Gedanken müssen unterdrückt werden? Gefühle signalisieren echte Gefahr? Die Zwänge vergiften die Gedanken? Ich bin für alles und jeden verantwortlich? Gut ist nicht gut genug? Man muss alles genau wissen? Grübeln hilft Probleme zu lösen? Zwang ist eine Hirnstörung – da kann man wenig machen? Ich kann und bin nichts? Ich werde verrückt? M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Aufklärung (Bsp.) Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Aufklärung (Bsp.) Einführung Methodik Übertragung auf des Gelernten auf die eigene Störung Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Vermittlung von Aha-Erlebnissen (Bsp.) Schlechte Gedanken sind nicht normal? Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Vermittlung von Aha-Erlebnissen (Bsp.) Schlechte Gedanken sind nicht normal? Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Bewährte Methoden (Bsp.) Die Welt ist gefährlich? Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Konfrontationsübungen M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Neue Methoden (Bsp.) Schlechte Gedanken müssen unterdrückt werden? Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Detached Mindfulness (Wells): Gedanken passieren lassen statt auf sie zu reagieren M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Eigene Übungen (Bsp.) Die Zwänge vergiften die Gedanken? Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Assoziationsspaltung: Schwächung der Beziehung bestimmter Kernkognitionen (z.B. 13, Krebs, Brand, Feuer etc.) mit zwangsrelevanten Befürchtungen durch Anreicherung des semantischen Netzwerkes M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Untersuchung der Wirksamkeit des MyMKT Pilotstudie (Moritz, Jelinek, Hauschildt, Naber, 2010) Online-Befragung (in Kooperation mit DGZ) Wartekontrollgruppen-Design Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zusammenfassung der Pilotstudienergebnisse (Moritz et al., 2010) Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Intervention (Selbsthilfe) • erste Hinweise für Wirksamkeit des • längerfristige Symptomreduktion? MyMKT • mittlere bis hohe Effektstärke für Reduktion der Zwangssymptomatik (Zwangsgedanken) nach 4 Wo Methode (Onlinestudie) • hohe Fallzahl und gute Wiedererreichungsquote • keine Verifikation der Diagnosen • keine aktive Kontrollbedingung • hohe Re-Test-Reliabilität, r > .8 • Selbstratings gelten als weniger valide gegenüber Fremdratings FAZIT: Folgestudie… M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Aktuelle Studie Verbessertes Design Einführung Prospektive, randomisierte klinische Studie mit aktiver Kontrollbedingung, externer Diagnoseverifikation und 6-Monats-follow-up erhält Selbsthilfemanual „MyMKT“ Methodik Ergebnisse Diskussion DiagnoseVerifikation: diagnostische Interviews Prä (Online+Telefon) Interventionsgruppe n = 64 Post nach 4 Wochen (Online+Telefon) Falls Einschluskriterien erfüllt: Follow-up nach 6 Monaten (Online+Telefon) Aktive Kontrollgruppe n = 64 erhält Standardmaterialien zur Psychoedukation Erste Ergebnisse… M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Stichprobe Soziodemographie und Psychopathologie (Baseline) Variablen Psychoedukation (n = 64) Selbsthilfe (n = 64) Statistik Soziodemographie Geschlecht (männl./weibl.) Einführung Alter Methodik Schulbildung: Abitur vs. kein Abitur Ergebnisse Diskussion 21/43 21/43 2(1)=0.00, p = 1 39.64 (9.88) 38.41 (11.61) t(84)=0.65, p > .5 43/21 35/29 2(1)=2.1, p > .15 Yale-Brown Obsessive-Compulsive Scale (Y-BOCS) Selbstrating Y-BOCS Zwangsgedanken 9.83 (3.57) 10.17 (4.41) t(126)= -0.48, p > .6 Y-BOCS Zwangshandlungen 9.63 (4.67) 10.36 (4.20) t(126)=-0.94, p > .3 Y-BOCS Gesamt 19.45 (5.80) 20.53 (6.46) t(126)=-0.99, p > .3 Yale-Brown Obsessive-Compulsive Scale (Y-BOCS) Fremdrating Y-BOCS Zwangsgedanken 10.92 (3.63) 11.36 (3.84) t(126)= -0.66, p > .5 Y-BOCS Zwangshandlungen 10.53 (4.63) 11.20 (4.30) t(126)=-0.85, p > .3 Y-BOCS Gesamt 21.45 (6.42) 22.56 (6.58) t(126)=-0.97, p > .3 BDI-SF 16.45 (8.40) 18.13 (9.68) t(126 )= -1.04, p > .2 M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Stichprobe Soziodemographie und Psychopathologie (Baseline) Variablen Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Psychoedukation (n = 64) Selbsthilfe (n = 64) Statistik Schweregrad Zwänge mild/ moderat/ schwer-extrem 14/ 23/ 27 8/31/25 χ² (2)= 2.90, p > .2 Komorbidität Depressive Störung andere Angststörung 30 29 32 24 χ² (1)= .13, p > .7 χ² (1)= .81, p > .3 Behandlungsstatus Psychotherapie Medikamentöse Therapie Kombi (Psychoth.+Med.) (teil-)stationär Keine Anbindung 23 5 14 1 21 19 6 18 4 17 χ² (4)= 3.19, p > .5 M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zwangssymptome Fremdrating (prä-post) Y-BOCS Gesamtwert 3,5 3 Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Differenz (prä-post) 2,5 p = .053, η²p .= .036 2 1,5 1 0,5 0 Selbsthilfe "MyMKT" Psychoedukation Y-BOCS Zusatzitems: MyMKT überlegen bzgl. Reduktion des Schweregrads: p = .019, η²p = .053 Gesamtverbesserung: p = .038 M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de per protocoll (N = 104) Zwangssymptome Fremdrating (prä-post) Y-BOCS Gedanken und Handlungen 2 p = .005, η²p .= .075 1,8 Einführung 1,6 Methodik 1,4 Diskussion Differenz (prä-post) Ergebnisse Selbsthilfe "MyMKT" Psychoedukation p > .6, η²p .= .002 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 Y-BOCS Gedanken (**) Y-BOCS Handlungen per protocoll (N = 104) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zwangssymptome Selbstrating (prä-post) Y-BOCS Gedanken und Handlungen 1,40 Selbsthilfe "MyMKT" Psychoedukation 1,20 Einführung Ergebnisse Diskussion Differenz (prä-post) Methodik p > .3, η²p .= .008 1,00 0,80 p > .2, η²p .= .013 0,60 0,40 0,20 0,00 Y-BOCS Gedanken Y-BOCS Handlungen per protocoll (N = 112) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zwangssymptome Selbstrating (prä-post) Einflussfaktor Schweregrad der Symptomatik 6,00 5,00 Methodik Ergebnisse Diskussion Differenz (prä-post) Einführung 4,00 3,00 Selbsthilfe "MyMKT" Psychoedukation 2,00 1,00 0,00 mild (*) moderat schwer -1,00 IA Gruppe x Zeit x Schweregrad: p = .015, η²p = .076 M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Depressivität Selbstrating (prä-post) BDI-SF Gesamtwert 4,5 4 Einführung Ergebnisse Diskussion Differenz (prä-post) Methodik 3,5 3 p = .017, η²p .= .05 2,5 2 1,5 1 0,5 0 Selbsthilfe "MyMKT" (*) Psychoedukation per protocoll (N = 112) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Subjektive Bewertung des MyMKT (prä-post) Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Item % Zustimmung Geeignet für Selbstdurchführung 98% Symptome zurück gegangen aufgrund Maßnahme 67% Verständlich geschrieben 98% Maßnahme als nützlich empfunden 95% Konnte die Übungen regelmäßig durchführen 81% Keine Zeit, Manual intensiv zu studieren 50% Andere Personen haben mir bei den Übungen geholfen 19% Ich fände das Konzept hilfreicher in Kombination mit einer direkten Psychotherapie 69% Ich fand das Konzept hilfreicher als andere Selbsthilfebücher 88% (n = 42) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Subjektive Bewertung des MyMKT (prä-post) Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Item % Zustimmung Geeignet für Selbstdurchführung 98% Verständlich geschrieben vs. 30% für 67% aktive Kontrollmaßnahme 98% Maßnahme als nützlich empfunden 95% Konnte die Übungen regelmäßig durchführen 81% Keine Zeit, Manual intensiv zu studieren 50% Andere Personen haben mir bei den Übungen geholfen 19% Ich fände das Konzept hilfreicher in Kombination mit einer direkten Psychotherapie 69% Ich fand das Konzept hilfreicher als andere Selbsthilfebücher 88% Symptome zurück gegangen aufgrund Maßnahme (n = 42) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Subjektive Bewertung des MyMKT (prä-post) Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Item % Zustimmung Geeignet für Selbstdurchführung 98% Symptome zurück gegangen aufgrund Maßnahme 67% Verständlich geschrieben 98% Maßnahme als nützlich empfunden 95% Konnte die Übungen regelmäßig durchführen 81% Keine Zeit, Manual intensiv zu studieren 50% Andere Personen haben mir bei den Übungen geholfen 19% Ich fände das Konzept hilfreicher in Kombination mit einer direkten Psychotherapie 69% Ich fand das Konzept hilfreicher als andere Selbsthilfebücher 88% (n = 42) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zusätzliche Bemerkungen (post) „Aus Zeitmangel bin ich noch nicht bis zum Ende gekommen, werde aber gerade die Urlaubszeit dazu nutzen.“ Einführung „Noch nicht vollständig gelesen ,weil ziemlich anstrengend...“ Methodik Ergebnisse Diskussion „Ich habe nur einen kleinen Teil gelesen, da ich wenig Energie dafür hatte. Ich nehme es mir aber für die Zukunft vor, mehr damit zu arbeiten.“ „Ich habe das Dokument quergelesen. Grund war 1. der Umfang des Dokuments, 2.Dass es zu meinem Thema (zählen) nicht richtig passte und dass ich wenig Zeit hatte (Dienstreise).“ „Habe es allerdings nicht komplett geschafft, weil im Moment viel anliegt bei mir. Die Kapitel, die ich gelesen habe, waren allerdings sehr gut.“ „konnte noch nicht alles fertig lesen“ M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Zusammenfassung & Diskussion Einführung Methodik Ergebnisse Diskussion Intervention (Selbsthilfe) • MyMKT wirksam bei der Reduktion von Zwangssymptomen (Fremdrating) • sign. weniger Zwangsgedanken • sign. Reduktion selbsteingeschätzter Depressivität • „verständlich“, „nützlich“, „hilfreich “ • keine sign. Reduktion der Zwangssymptomatik im Selbstrating • kein ausreichendes Ansprechen der Zwangshandlungen • „anstrengend“, „zu wenig Energie dafür“ Methode (Onlinestudie) • externe Diagnoseverifikation (Einund Ausschlusskritrien) • viele weitere Einflussfaktoren • 6-Monats Follow-up Ergebnisse -> weitere Hinweise auf Wirksamkeit • kurzer Interventionszeitraum (prä-post) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Diskussion & Ausblick Einführung Methodik Methode/ Evaluation: zu viel in zu kurzer Zeit? bisher nur vorläufige Ergebnisse, weitere Analysen stehen noch aus (z.B. intention-to-treat) Was hilft wem? Ergebnisse Diskussion Weiterentwicklung des Selbsthilfeansatzes: Ergänzung spezifischer Interventionen für Zwangshandlungen Anleitung zur „Dosierung“ M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Danksagung An alle Studienteilnehmer! Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen Schweizer Gesellschaft Zwangserkrankungen Johanna Schröder, Ricarda Weil, Ruth Veckenstedt, Francesca Bohn (AG Klinische Neuropsychologie) M. Hauschildt, DGZ Jahrestagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit M. Hauschildt, DGZ,-Tagung in Münster, 2012; m.hauschildt@uke.de