Newsletter Nr. 03/05

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Newsletter Nr. 03/05
(Employment-Newsletter Januar 2005)
Missbräuchlicher Widerspruch gegen einen Betriebsübergang nach § 613a BGB
Anke Körber
Rechtsanwältin
Taylor Wessing, Düsseldorf
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Taylor Wessing Newsletter Nr. 03/05
1.
Einleitung
Soll ein Betrieb oder Betriebsteil im Wege der Übertragung von Betriebsmitteln, sogenannter Asset
Deal veräußert werden, so kommt hierbei regelmäßig § 613a BGB zur Anwendung. § 613a Abs. 1
BGB bestimmt, dass grundsätzlich die beim Betriebsveräußerer bestehenden Arbeitsverhältnisse mit
allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber übergehen. Vor dem geplanten Betriebsübergang hat gemäß § 613a Abs. 5 BGB entweder der neue oder der bisherige Arbeitgeber den oder die
betroffenen Arbeitnehmer in Textform vom Vorliegen des Betriebsübergangs zu unterrichten. Hierbei
ist der Arbeitnehmer über den geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs, dessen Grund, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen und dass die ihm gegenüber in Aussicht genommene
Maßnahme zu informieren. Der betroffene Arbeitnehmer kann dann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber innerhalb eines Monats nach der Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 6
BGB schriftlich widersprechen.
In Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGB hatte sich das BAG (BAG
Urteil v. 30.09.2004 – 8 AZR 462/03 – n.v.; s. Pressemitteilung Nr. 71/04) kürzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Widerspruch von 19 der insgesamt 21 Arbeitnehmer eines Unternehmens
gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach Beratung durch die Gewerkschaft missbräuchlich ist. Dies hat es wie schon die Vorinstanz (LAG Brandenburg Urt. v. 29.08.2003 – 8 Sa 232/03 –
EwiR 2004, 173) für den konkreten Fall mit der Begründung verneint, dass der Arbeitgeber die missbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts nicht ausreichend bewiesen hatte.
2.
Kontrolle der Ausübung des Widerspruchsrechts
a)
Kollektivwiderspruch
Obschon das BAG im Urteil vom 30.09.2004 festgestellt hat, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht rechtsmissbräuchlich war, kann zunächst festgehalten werden, dass das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen einen Betriebsübergang nach § 613a BGB grundsätzlich den allgemeinen Schranken der Rechtsordnung und demnach auch der Kontrolle des Rechtsmissbrauchs nach
§ 242 BGB unterliegt. Ein Widerspruch gegen den Betriebsübergang kann daher auch rechtsmissbräuchlich und somit unwirksam sein. Widersprechen ein großer Teil der Belegschaft oder nahezu
alle für die Fortführung des Betriebs benötigte Know-How-Träger dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber, was eventuell auch noch zeitgleich und mit gleichlautenden
Schreiben geschieht, spricht eine Vermutung dafür, dass es sich hierbei nicht um eine Vielzahl individueller Entscheidungen, sondern um eine geplante Aktion handelt. Eine solche gemeinschaftliche
bzw. abgestimmte Ausübung des den einzelnen von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern zustehenden Widerspruchsrechts wird ohne zahlenmäßige Festlegung des Umfangs der wider-
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sprechenden Personengruppe als kollektiver Widerspruch bezeichnet (vgl. etwa ErfKomm/Preis §
613a BGB Rdnr. 106; Schnitker/Grau EwiR 2004, 173).
b)
Folgen eines kollektiven Widerspruchs
Ein solcher kollektiver Widerspruch der gesamten Belegschaft oder wesentlicher Belegschaftsgruppen kann letztlich die Veräußerung des Betriebs oder Betriebsteils gefährden und den geplanten Betriebsübergang unter Umständen verhindern (vgl. ErfKomm/Preis § 613a BGB Rdnr. 106). Dies deshalb, weil entsprechende Vertragswerke für diesen Fall vielfach Rücktrittsmöglichkeiten des
Erwerbers vorsehen. In den Fällen, in denen es für den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit nicht
unbedingt erforderlich ist, dass der wesentliche Teil der bisherigen Belegschaft auf den Erwerber
übergeht, erfolgt der vorgesehene Betriebsübergang auch bei zahlreichen Widersprüchen, wenn Verkäufer und Käufer gleichwohl an der Transaktion festhalten. Andererseits kann die Ausübung des
Widerspruchsrechts durch einen wesentlichen Teil der Belegschaft in betriebsmittelarmen Dienstleistungsunternehmen, in denen die wirtschaftliche Einheit überwiegend nur aus der Arbeitnehmerschaft
besteht, aber auch dazu führen, dass es gar nicht zu dem vorgesehenen Betriebsübergang kommt,
mit der Folge, dass die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die dem Betriebsübergang nicht widersprochen haben, ebenfalls nicht vom Veräußerer auf den Erwerber gemäß § 613a BGB übergehen
(Willemsen in Willemsen/Hohenstein/Schweibert/Seibt G Rdnr. 175).
c)
Abgrenzung von zulässiger und rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts
Es stellt sich also die Frage nach der Abgrenzung der zulässigen von der rechtsmissbräuchlichen
Ausübung des Widerspruchsrechts. Zunächst ist festzuhalten, dass die kollektiv erfolgende Ausübung
des gesetzlich verankerten individuellen Widerspruchsrechts nicht grundsätzlich einen Verstoß gegen
den Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Der generell nicht zu begründende (BAG Urt. v.
19.3.1998 Az. 8 AZR 139/97 AP Nr. 177 zu § 613a BGB, NZA 1998, 750 ff.; LAG Brandenburg Urt. v.
29.8.2003 – 8 Sa 232/03 -, EwiR 2004, 173) Widerspruch gemäß § 613a Abs. 6 BGB bedarf auch bei
einer größeren Anzahl Widersprechender zu seiner Wirksamkeit keines sachlichen Grundes. Soweit
in der Literatur vereinzelt ein solcher Sachgrund mit kollektivem Bezug gefordert wird (Ascheid/Preis/Steffan § 613a BGB Rdnr. 109; ErfKomm/Preis § 613a BGB Rdnr. 106) dürfte dies nicht
haltbar sein (Vgl. LAG Brandenburg Urt. v. 29.8.2003 – 8 Sa 232/03 – EwiR 2004, 173). Der Umfang
und die Intensität des dem einzelnen Arbeitnehmer durch das Widerspruchsrecht eingeräumten
Schutzes kann nicht einfach zu seinem Nachteil variiert werden, nur weil er dieses Recht nunmehr
statt allein mit einer Gruppe Gleichgesinnter ausübt. Zulässig ist die kollektive Ausübung des Widerspruchsrechts zunächst immer dann, wenn ein Grund für den Widerspruch gegeben ist, der dem
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Schutzzweck des Gestaltungsrechts unterfällt, so beispielsweise dann, wenn ein Großteil der Belegschaft ihr Widerspruchsrecht wegen mangelnder Bonität des Betriebserwerbers ausübt.
Mit einem kollektiven Widerspruch werden jedoch oftmals Ziele verfolgt, die mit dem Sinn und Zweck
des Widerspruchsrechts nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, wie beispielsweise die
Durchsetzung langfristiger Standortgarantien oder mehrjähriger Kündigungsverzichtserklärungen.
Eine kollektive Ausübung des Widerspruchsrechts zu einem sachfremden, vom Schutzzweck der
Norm evident nicht erfassten Zweck ist rechtsmissbräuchlich und unwirksam (vgl. Gaul ZfA 1990, 90;
Erman/Hanau § 613a BGB Rdnr. 55). So kann die Ausübung des kollektiven Widerspruchs im Vorfeld
eines anstehenden Betriebsübergangs vom Betriebsrat bzw. der Belegschaft initiiert werden, um den
Veräußerer mit dem Hinweis auf eine im Falle zahlreicher Widersprüche auf ihn zukommende Massenentlassung mit hohen Sozialplankosten zu Zugeständnissen zu drängen. Zudem kann mit dem
Druckmittel eines möglichen kollektiven Widerspruchs vom Veräußerer gefordert werden, dass dieser
vorab auf den Erwerber hinwirkt, damit er den auf ihn übergehenden Arbeitnehmern beispielsweise
einen längerfristigen Kündigungsverzicht oder seinen sofortigen Beitritt in den Arbeitgeberverband zur
Wahrung der Tarifbindung zusagt. Die Verknüpfung des Widerspruchsrechts mit derartigen Zwecken
kann sachwidrig und damit rechtsmissbräuchlich sein.
Grundsätzlich ist die Arbeitgeberseite für die missbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts
darlegungs- und beweispflichtig (LAG Brandenburg Urt. v. 29.8.2003 – 8 Sa 232/03 – EwiR 2004,
173; Schnitker/Grau EwiR 2004, 173, 174). Da es für den Arbeitgeber im Regelfall relativ schwierig
sein dürfte, substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass eine missbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts vorliegt, wird man die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden
Nachweis eines rechtsmissbräuchlichen kollektiven Widerspruchs wohl nicht zu hoch ansetzen dürfen, wenn man ihn nicht einer gezielten Druckausübung seiner von einem Betriebsübergang betroffenen Belegschaft aussetzen will. Werden aus den Reihen der kollektiv Widersprechenden oder der
Arbeitnehmervertretungen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang nachweislich sachwidrige
Forderungen erhoben und wird der kollektive Widerspruch nachweislich im Zusammenhang hiermit
als Druckmittel eingesetzt, dürften solche Umstände zumindest bereits dafür sprechen, dass es sich
im konkreten Fall um einen rechtsmissbräuchlichen kollektiven Widerspruch handelt.
Neben der kollektiven Ausübung des Widerspruchsrechts kann auch der von einem einzelnen Arbeitnehmer erklärte Widerspruch rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn der betreffende
Arbeitnehmer der Arbeitgeberseite beispielsweise zuvor zugesagt hatte, zum Erwerber übergehen zu
wollen (BAG Urt. v. 15.2.1984, AP Nr. 37 zu § 613a BGB; NZA 1984, 32 f.). Ein weiterer Fall einer,
hier allerdings eher vom Erwerber ausgehenden, missbräuchlichen Handhabung des Widerspruchsrechts ist die Anstellung der Arbeitnehmer des bisherigen Auftragsnehmers unter der Bedingung,
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dass diese zuvor ihrem Übergang auf den neuen Auftragnehmer widersprechen (Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt G Rdnr. 177). Dieser auf Anweisung des neuen Betriebsinhabers erfolgende Widerspruch ist als unzulässige Umgehung der Schutzfunktion des § 613a BGB unwirksam, so dass die Arbeitsverhältnisse der beim neuen Auftragnehmer tätigen Arbeitnehmer trotz
ihres Widerspruchs nach § 613a BGB mit allen Rechten und Pflichten übergehen würden.
Folge einer evident missbräuchlichen sowohl kollektiven als auch individuellen Ausübung des Widerspruchsrechts ist, dass die betreffenden Arbeitnehmer trotz eines solchen, rechtsmissbräuchlichen
Widerspruchs gleichwohl zum Erwerber übergehen würden.
3.
Fazit
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sowohl die kollektive als auch die individuelle Ausübung des
Widerspruchsrechts rechtsmissbräuchlich sein kann. Problematisch bei der Geltendmachung der
Rechtsmissbräuchlichkeit wird stets die Beweisführung sein. Kann der Betriebsveräußerer beweisen,
dass die Ausübung des Widerspruchs durch die Mehrheit der Belegschaft lediglich aus dem Grund
erfolgt, den Betriebsübergang gänzlich zu verhindern oder überzogene und sachfremde Ziele durchzusetzen, dürfte er vor dem Arbeitsgericht erfolgreich die Rechtsmissbräuchlichkeit der Widersprüche
geltend machen können. Gleiches gilt für eine behauptete Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerspruchs eines einzelnen Arbeitnehmers. Auch hier muss der Betriebsveräußerer in der Lage sein, zu
beweisen, dass durch den Widerspruch eine unzulässige Umgehung der Schutzfunktion des § 613a
BGB bezweckt wird. Da das BAG sich bis zu seiner jetzigen Entscheidung (BAG Urt. v. 30.09.2004 –
8 AZR 462/03 – n.v., s. Pressemitteilung Nr. 71/04) bisher kaum mit derartigen Fallkonstellationen,
insbesondere mit der Ausübung des kollektiven Widerspruchs beschäftigt hat, bleibt abzuwarten,
welche Anforderungen das BAG an den zu erbringenden Nachweis für die Geltendmachung der
Rechtsmissbräuchlichkeit in der Zukunft stellen wird.
Düsseldorf, den 18.01.2005
Anke Körber
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